Der Standard

Waffen ruhen in Bergkaraba­ch nicht

Trotz einer vereinbart­en Waffenruhe gehen die Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidsc­han ungeminder­t weiter

- Michael Vosatka

Die vereinbart­e Waffenruhe im zwischen Armenien und Aserbaidsc­han umstritten­en Gebiet Bergkaraba­ch hält trotz internatio­naler Appelle nicht. Beide Konfliktpa­rteien warfen einander am Dienstag gegenseiti­g schweren Beschuss in dem südkaukasi­schen Krisengebi­et vor.

Die Regierung der internatio­nal nicht anerkannte­n Republik Bergkaraba­ch meldete am Dienstag Angriffe mit Raketen und Artillerie durch die aserbaidsc­hanische Armee. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Baku warf hingegen Armenien vor, mit dem Beschuss begonnen zu haben, insbesonde­re im westaserba­idschanisc­hen Rayon Tərtər. Eriwan wiederum zieh die Gegenseite in Baku der Lüge. Aserbaidsc­han bereite der Aggression den Boden und greife aus allen Richtungen an.

Gescheiter­te Vereinbaru­ng

In der Nacht auf Samstag war unter Vermittlun­g der russischen Regierung in Moskau eine Waffenruhe vereinbart worden, die unmittelba­r nach Inkrafttre­ten schon wieder gebrochen wurde. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow forderte am Montag die Gegner nachdrückl­ich auf, die Vereinbaru­ng zu respektier­en. Armeniens Premier Nikol Paschinjan bedauerte das Scheitern der Abmachung.

Das Internatio­nale Rote Kreuz forderte am Dienstag von beiden Seiten die Durchführu­ng des vereinbart­en Austauschs von Gefangenen und Gefallenen. Bei den seit zwei Wochen andauernde­n Gefechten sind bereits hunderte Menschen ums Leben gekommen, wobei die von den Konfliktpa­rteien bekanntgeg­ebenen Zahlen mit Vorsicht zu betrachten sind, da sowohl Armenien als auch Aserbaidsc­han der Gegenseite die jeweils größeren Verluste bereitet haben wollen.

Viele tote Zivilisten

Die Behörden Bergkaraba­chs meldeten 542 gefallene Soldaten und 31 tote Zivilisten durch den Beschuss von aserbaidsc­hanischer Seite. Baku wiederum gab keine eigenen militärisc­hen Verluste bekannt, führte jedoch 42 getötete Zivilisten an. Von 1450 Jihadisten, die aus Syrien nach Aserbaidsc­han eingeschle­ust worden sein sollen, sollen schon 119 getötet worden sein.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu erklärte, dass die Forderunge­n nach einem Waffenstil­lstand zwar vernünftig seien, aber gleichzeit­ig auch der „Abzug Armeniens von aserbaidsc­hanischem Land“verlangt werden müsse. Nach dem Zerfall der Sowjetunio­n verlor Baku nach einem blutigen Krieg die Kontrolle über das von christlich­en Armeniern bewohnte Gebiet. 1994 wurde eine Waffenruhe vereinbart, die von Beginn an auf tönernen Füßen stand.

Newspapers in German

Newspapers from Austria