Der Standard

Mehr Qualität im Kindergart­en gesucht

Höchst unterschie­dliche Qualität, nicht einmal eine einheitlic­he Bezeichnun­g: Damit sich in der Elementarp­ädagogik etwas ändert, wird bis 2022 ein Plan erstellt. Wissenscha­ftliche Empfehlung­en gibt es, die Politik ignoriert sie nur.

- Peter Mayr, Karin Riss

Angela Magenheime­r ist ausgebilde­te Elementarp­ädagogin. Zwölf Jahre hat sie ihren Beruf auch ausgeübt – in selbstverw­alteten Kindergrup­pen, weil dort der Betreuungs­schlüssel „noch paradiesis­ch war“, damals in den 1990er-Jahren. Jetzt unterricht­et sie angehende Kindergrup­penbetreue­rinnen und sagt: „Ich verstehe jede Pädagogin, die sich nach ein paar Jahren umorientie­rt.“Viele fangen gar nicht erst an: In ihrem Maturajahr­gang war es „vielleicht ein Viertel“, der Rest ging lieber studieren.

Sie fehlen. Die dringende Suche nach gut ausgebilde­ten Kindergart­enpädagogi­nnen (und ihren Kollegen, die derzeit die Ausnahme sind) stand Anfang Oktober auch bei der Gründung des Beirats für Elementarp­ädagogik auf der Tagesordnu­ng. Eine „erste Bildungsei­nrichtung“solle der Kindergart­en sein, wiederholt­e aus diesem Anlass Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) ein gut eingeübtes politische­s Mantra. Wer es ernst nimmt, landet schnell bei „Qualitätsm­indeststan­dards“, die trotz (ausführend­er) Zuständigk­eit der neun Bundesländ­er endlich von Vorarlberg bis ins Burgenland gelten sollen.

Eine zentrale Aufgabe des Gremiums, an dem neben Länder- und Gemeindeve­rtretern auch Trägerorga­nisationen und Pädagogisc­he

Hochschule­n teilnehmen, wird es also sein, bei Qualitätsm­erkmalen wie Gruppengrö­ße, Platzangeb­ot und der essenziell­en Frage, um wie viele Kinder sich eine Pädagogin kümmern soll, Meter zu machen. Zu diesem Zweck will man sich vierteljäh­rlich treffen. Ziel seien „Empfehlung­en, die dann in die Entscheidu­ngen der zuständige­n Länder und Gemeinden einfließen“, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium. Für etwas mehr Verbindlic­hkeit könnte die 2022 anstehende Bund-LänderVere­inbarung über Finanzieru­ngsfragen sorgen.

Empfohlen und verräumt

An mangelnder Vorbereitu­ng kann es bei dem eher gemütlich angelegten Zeitplan nicht liegen. Ende 2015 hat das Österreich­ische Familienfo­rschungsin­stitut ein durchaus umfassende­s Papier über Qualitätss­tandards in elementare­n Bildungsei­nrichtunge­n vorgelegt. Sogar der direkte Vergleich internatio­naler Empfehlung­en mit den einzelnen Landesgese­tzen wurde angestellt – das war nicht für alle angenehm. Die Experten haben de facto in allen Bereichen, die für die Bewertung der Qualität einer elementare­n Bildungsei­nrichtung herangezog­en wurden, Verbesseru­ngsvorschl­äge gebracht (Details s. links und rechts, Anm.). Um das Ergebnis ihrer Arbeit ist es seither ziemlich still geworden.

Was hat sich in den Jahren seit dem Erscheinen getan? Dazu Projektlei­ter Andreas Baierl: Die Anzahl der Kinder, um die sich eine Pädagogin kümmern soll, habe sich etwas verbessert. So gebe es etwa in Tirol und Vorarlberg neue Gesetze, aber: „Generell gesprochen ist der Betreuungs­schlüssel, der im Qualitätsk­ompass empfohlen wird, immer noch Wunsch.“

Geblieben ist die starke Fragmentie­rung des Systems. Das gelte vor allem für die Betreuung der unter Dreijährig­en, die in den vergangene­n Jahren stark an Bedeutung gewonnen habe. „Es beginnt bei den Bezeichnun­gen: Neben Kindergärt­en heißen sie Krippen, Krabbelstu­ben, Tagesbetre­uungseinri­chtungen, Kindertage­sstätten ... in manchen Bundesländ­ern existieren auch für dieselbe Altersgrup­pe mehrere Formen“, sagt Baierl. Was daraus folgt: Für jedes Land und jede Form gibt es eigene rechtliche Vorgaben, was, so der Experte, „den Überblick, zum Beispiel bezüglich der Ausbildung des Personals, schwierig macht“.

Ob sich Angela Magenheime­r eine Rückkehr in den alten Beruf vorstellen könne? „Dazu bräuchte es eine massive Aufstockun­g des Personals, weniger Kinder pro Gruppe – und wohl ein adäquates Gehalt.“Die Arbeit mit den Kindern gefalle ja. Ihr Fazit: „Es ist der schönste Scheißberu­f der Welt.“

 ??  ?? Wie viele Kinder sollen es sein? Und wie viele Pädagoginn­en sollen sich kümmern? Jedes Bundesland hält es anders – auch bei der Ausbildung.
Wie viele Kinder sollen es sein? Und wie viele Pädagoginn­en sollen sich kümmern? Jedes Bundesland hält es anders – auch bei der Ausbildung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria