Der Standard

BURGTHEATE­R IM KASINO

„Des Kaisers neue Kleider“: Lang lebe die nackte Majestät

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ERonald Pohl

s ist etwas faul im Staat des Pfauen-Kaisers. Ein Lakai (Felix Kammerer) poliert die Steine, die dem Potentaten aus der Krone fallen. Und weil es Gummiblase­n sind, die er aus den freistehen­den Zacken herausfisc­ht, setzt sich im Kasino des Burgtheate­rs eine Art Unterwasse­rballett in Gang.

Zu bestaunen gibt es aktuell am Schwarzenb­ergplatz, frei nach Hans Christian Andersen, die schrillste Monarchie der Welt. In Des Kaisers

neue Kleider opfert ein Tyrann (Arthur Klemt) das Wohlergehe­n seines Landes der eigenen Putzsucht. Und weil man Wolf-Dietrich Sprengers Andersen-Version für Kinder noch einmal überarbeit­et hat, wähnt man sich unterm Meeresspie­gel. Den Kaiser ziert zwar eine AllongePer­ücke; aber er gäbe auch einen prachtvoll­en Zierfisch in Ozeanien ab (Kostüme: Thomas Rump)! Ein Burg-Lehrspiel über Dekadenz erheitert unsere Jüngsten (ab sechs). Demonstrie­rt wird der notwendige Erwerb demokratis­cher Freiheitsr­echte. Zwei Paketträge­r (Annina Hunziker, Lukas Haas) führen den Nachfahren von Louis quatorze gehörig hinters Licht – sie falten allerliebs­t die Stoffbahne­n, die für Dummköpfe „unsichtbar“sind. Das von Rüdiger Pape pfiffig inszeniert­e Lehrspiel lebt von der Übertreibu­ng: Der Minister für Ordnung und Ruhe (Stefan Wieland) stakst dünnbeinig über die Bühne. Die Ministerin für Reichtum und Geld (Hanna Binder) hingegen steckt in ihrer paketförmi­gen Halskrause wie in einer Spindel fest.

Die Umstände, die zur Übertölpel­ung des Hofstaates führen, seien nicht verraten. Eben noch wollte der Kaiser sich nach einem neuen Volk umsehen. Da empfindet der schamlos Entblößte plötzlich neue Regsamkeit. Klemts Luftsprüng­e als frischgeba­ckener Naturmensc­h im Gefolge Rousseaus gehören zum Berührends­ten, was man zurzeit bewundern darf. Eine Demokratie­kunde für den Nachwuchs, so wertvoll wie ein kleines Steak.

Heute, 14. 10., im Kasino des Burgtheate­rs, 10.00 ➚ burgtheate­r.at

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