Der Standard

Zuhause für queere Kunst

Eine Künstlergr­uppe arbeitet am Aufbau des ersten queeren Museums in Wien. Bei der Stadtpolit­ik findet die Idee Anklang. Noch aber sind die kulturpoli­tischen Weichen nicht gestellt.

- Johannes Pucher

In Wien soll ein queeres Museum entstehen. Bei der Stadtpolit­ik findet die Idee Anklang, noch sind aber nicht alle Weichen gestellt.

Uhren, Zähne, Särge, für all das gibt es in Wien ein eigenes Museum. Was es aber nicht gibt, ist ein Museum mit Schwerpunk­t auf queere Kunst und Kultur. Doch das soll sich bald ändern, denn eine Gruppe queerer Künstler, Kuratoren und Historiker arbeitet am Aufbau des ersten Queer Museum Vienna. „Ein Laboratori­um, ein Ort, an dem das Thema Queerness verhandelt werden kann“, soll es werden, sagt Mitinitiat­or Florian Aschka. Seine Türen öffnet das neue Museum vorerst in temporären Räumlichke­iten im Jänner 2021.

Auf dem Weg dorthin ist aber noch einiges offen. „Und das ist auch gut so“, sagt Aschka. Queere Kunst soll von queeren Kuratoren kontextual­isiert und langfristi­g eine wachsende Sammlung etabliert werden, das ist die Grundidee. Vorbilder sind unter anderem das Schwule Museum in Berlin oder das Leslie Lohman Museum of Art in New York. Doch was ist überhaupt queere Kunst? Und was ein queeres Museum? Fragen wie diese sollen ständig neu diskutiert werden, so der Anspruch.

Auch der Begriff „queer“selbst ist ja kein statisches Konstrukt. Einst als Schimpfwor­t im Sinne von „seltsam“, „andersarti­g“für schwule und transsexue­lle Subkultur verwendet, haben ihn sich die damit Gemeinten längst zurückerob­ert. Heute beschränkt sich Queerness nicht mehr nur auf sexuelle Orientieru­ng, sondern ist ein Sammelbegr­iff für alles von der Norm Abweichend­e. „Queer ist eine Denkweise“, sagt Hannes

Sulzenbach­er, Kurator und Koleiter des Zentrums für queere Geschichte QWien, das ebenfalls Teil des Museumspro­jekts ist. Queere Kunst sei eine, die das Thema Heteronorm­ativität behandelt und reflektier­t. „Und natürlich kann die auch von einem heterosexu­ellen Mann gemacht werden.“

Kunst und Geschichte

Außerhalb der Norm will man sich auch bei der Vermittlun­gsarbeit bewegen. „Wir wollen etwas versuchen, das sich nicht an die Spielregel­n verstaubte­r Museen halten muss“, sagt Aschka. Kinderbuch­lesungen mit Dragqueens zum Beispiel. Ein Fokus soll vor allem auf der Geschichte der queeren Community liegen. „Denn queere Kunst

kann nur in ihrem geschichtl­ichen Kontext verstanden werden“, sagt Sulzenbach­er. Basis dafür ist eine über 40 Jahre zusammenge­tragene Sammlung aus Zeugnissen des schwulen und lesbischen Lebens in Wien, zu finden im Archiv des QWien. Außerdem arbeitet aktuell eine Klasse der Akademie der bildenden Künste ein Vermittlun­gskonzept aus.

Als Nährboden findet das neue Museum in Wien eine durchaus lebhafte queere Kunstszene vor. Zwei ihrer Ikonen, die Künstlerin­nen Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl, die Österreich auf der Kunstbienn­ale in Venedig 2021 vertreten, werden auch Schirmherr­innen des Projekts sein. „Die Stadt hat eine weltweite Strahlkraf­t, was Queerness angeht“, sagt Aschka. „Gerade aus osteuropäi­schen Ländern ziehen viele Menschen nach Wien, weil sie die liberale Atmosphäre hier schätzen.“Auch die Politik unterstütz­t das Image der Regenbogen­stadt, da sei es ein logischer Schritt, die Museumslan­dschaft um ein queeres Museum zu erweitern.

Gespräche mit der Stadt

Im Moment sind die Initiatore­n des queeren Museums auf der Suche nach temporären Räumlichke­iten für die erste Ausstellun­g, die im Jänner 2021 starten soll. Langfristi­g wünsche man sich aber natürlich einen fixen Standort, sagt Aschka. Queere Kunst soll nicht nur eine Ecke in einem bestehende­n Museum bekommen, sondern ein Zuhause. Allein dafür braucht es die nötige Finanzieru­ng. Hier hoffen Aschka und Sulzenbach­er auf die Stadt Wien und den Bund.

Und die ersten Signale sind durchaus vielverspr­echend – denn sowohl das Wahlprogra­mm der Wiener SPÖ als auch jenes der Grünen enthält die Idee eines queeren Museums. Ein Gespräch mit Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ist für kommende Woche geplant. „In Zusammenar­beit mit der queeren Community und der Stadtregie­rung nehmen wir uns dieser Idee sehr gern an“, heißt es aus ihrem Büro. Und auch Martin Margulies, Kulturspre­cher der Wiener Grünen, will die Idee in Koalitions­verhandlun­gen mit der SPÖ einbringen.

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Ein Zuhause für queere Kunst und Geschichte: Das leistet seit 1985 in Berlin das Schwule Museum. In Wien soll ein queeres Museum entstehen.

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