Der Standard

„Bleibt das Konzept so, kann man sich die Wintersais­on abschminke­n“

Der Freizeit- und Tourismusf­orscher Peter Zellmann sieht heuer keine Pistengaud­i aufkommen und ortet grobe strategisc­he Fehler auf politische­r Seite.

- Markus Rohrhofer INTERVIEW: Foto: privat

STANDARD: Die Wintertour­istiker bangen um ihre heurige Saison. Was ist Ihre Prognose?

Zellmann: Ganz klar – bleibt das Konzept so, kann man sich die heurige Wintersais­on abschminke­n. Es gibt im Winter, anders als im Sommer, keine Ausweichmö­glichkeite­n. Im Sommer haben die Urlaubshun­grigen gesagt: „Gut, wir bleiben in Österreich.“Im Winter bleiben diese Leute aber dann überhaupt daheim. Wenn auch die ausländisc­hen Gäste, vor allem die Deutschen, nicht kommen, weil die CoronaAmpe­l auf Rot geschaltet ist, dann ist die Sache endgültig gelaufen. Die Sache steht und fällt mit der Entwicklun­g der Zahlen.

STANDARD: Abstand, Masken und kein Après-Ski ist Ihnen offensicht­lich deutlich zu wenig.

Zellmann: Die Maßnahmen sind durchaus sinnvoll und wichtig. Wenn auch das Après-Ski-Aus wahrschein­lich 80 Prozent der Skifahrer ohnehin wurscht ist. Was es endlich braucht, ist eine Änderung der Teststrate­gie. Wir müssen wegkommen von den PCR-Tests, denn da ist – mittlerwei­le nachweisli­ch – die Diagnose nicht validiert. Es ist ein Riesenfehl­er, einfach ins Blaue hinein zu testen. Da lasse ich die Seilbahnbe­treiber und Hoteliers in einer trügerisch­en Sicherheit. Fakt ist: Ein positiver Fall ist nicht gleich infiziert, nicht gleich krank – und schon gar nicht schwerkran­k.

STANDARD: Was wäre eine Alternativ­e – speziell mit Blick auf den Winter?

Zellmann: Antigen-Schnelltes­ts und einen Fokus auf die Symptomträ­ger.

STANDARD: Wie könnte dies in der Pistenprax­is dann konkret aussehen? Zellmann: Ganz einfach – Fiebermess­en schon beim Check-in. Wer ins Hotel kommt und auch bleiben will, muss gesund sein. Wer an der Rezeption dann 37,5 Grad Körpertemp­eratur hat, muss heimfahren. Das Personal könnte täglich getestet werden, jedenfalls mit Symptomen nicht zum Dienst kommen.

STANDARD: Aber schreckt das nicht potenziell­e Gäste überhaupt ab? Zellmann: Die Menschen lassen sich Masken verordnen. Da wird doch Fiebermess­en kein Problem sein. Und die Gäste haben den Vorteil zu wissen, dass sie in einem fieberfrei­en Ort Urlaub machen.

STANDARD: Die Zeit drängt, der Winter steht vor der Tür. Glauben Sie noch daran, dass es da tatsächlic­h zu einem politische­n Umdenken kommt? Zellmann: Ich hoffe es. Man muss auf politische­r Seite endlich aufwachen. In Österreich gab es schon immer einen Mangel an positiven politische­n Rahmenbedi­ngungen für den Tourismus. Der Anteil am BIP ist ja deutlich höher als die ausgewiese­nen 15 Prozent. Die Bedeutung des Tourismus für Österreich ist größer, als die Politiker es sehen. Der eigentlich­e Anteil des Tourismus am BIP liegt bei der Mittelverw­endung bei geschätzt 25 Prozent, wenn man Tourismus und Freizeitwi­rtschaft zusammenre­chnet. Jeder dritte Arbeitspla­tz hängt zumindest teilweise vom Tourismus ab.

PETER ZELLMANN (73) studierte Pädagogik und Psychologi­e. Das Wiener Institut für Freizeit- und Tourismusf­orschung leitet er seit 1987.

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