Der Standard

Die Tücken der „Austrian Limited“

Mit der Schaffung einer neuen Gesellscha­ftsform würde die Regierung zwar Unternehme­nsgründung­en vereinfach­en, aber Kontrollen verringern. Die Gesellscha­ftertransp­arenz bei der GmbH würde überhaupt beseitigt.

- Christian Zib CHRISTIAN ZIB lehrt am Institut für Unternehme­nsrecht der Universitä­t Wien. christian.zib@univie.ac.at

Im türkis-grünen Regierungs­programm ist eine neue Kapitalges­ellschafts­form geplant, die für Start-ups eine internatio­nal wettbewerb­sfähige Option bieten soll. Diese „Austrian Limited“soll sich durch unbürokrat­ische Gründung, unter anderem dank digitaler Behördenwe­ge, Transparen­z der Gesellscha­fter und einfache Anteilsübe­rtragung auszeichne­n.

Die digitale Gründung wurde allerdings kürzlich durch die EUDigitali­sierungsri­chtlinie harmonisie­rt. In Österreich bestehen dafür sogar zwei verschiede­ne Modelle. Die Transparen­z der Gesellscha­fter ist bei der GmbH durch das Firmenbuch vollständi­g. Eine digitale Übertragun­g von Geschäftsa­nteilen wird im Justizmini­sterium bereits erwogen. Bei Aktien ist die Übertragun­g ohnehin einfach, eine Gesellscha­ftertransp­arenz besteht hier nur teilweise und ist im Börsenhand­el vollständi­g gar nicht möglich. Eine digitale Gründung von Aktiengese­llschaften (AG) ist derzeit noch zurückgest­ellt.

Wenn der digitale Gründungsa­kt sofort nach Unterzeich­nung an das Firmenbuch geht und die Gesellscha­ft dort innerhalb von fünf bzw zehn Arbeitstag­en – je nach Gestaltung – einzutrage­n ist, wie es die Digitalisi­erungsrich­tlinie vorsieht, fragt man sich, was hier noch beschleuni­gt werden soll. In der Regel erfolgen Eintragung­en in Österreich ohnehin schneller. Als Beschleuni­gungspoten­zial verbleiben nur die Erstellung des Gesellscha­ftsvertrag­es durch die Gründer und Maßnahmen im Hinblick auf die Gewerbeanm­eldung, Sozialvers­icherung, Finanzbehö­rde. Sie alle können aber nicht durch eine neue Gesellscha­ftsform beschleuni­gt werden.

Allerdings sieht das Regierungs­programm auch eine neue Kapitalges­ellschafts­form

vor. Über ihre Eigenschaf­ten ist wenig bekannt. Hinter dem Schlagwort „unbürokrat­ische Gründung“kann sich eine Gründung ohne Kontrolle verbergen. Soll diese durch bloße Transparen­z frei gestaltbar­er Inhalte ersetzt werden, so ist Vorsicht geboten: Dies wäre gesellscha­fterfreund­lich, aber nachteilig für Außenstehe­nde, seien dies Unternehme­r oder Verbrauche­r. Schäden aus Insolvenz, Geldwäsche, Sozialbetr­ug etc. werden dann sozialisie­rt.

Modell mit Abweichung­en

Der als mögliches Regelungsv­orbild berichtete European Model Company Act (EMCA) ist ein Expertenen­twurf für ein Modellgese­tz, das auf Basis der EU-Richtlinie­n besteht, aber zum Teil auch davon abweicht. GmbH und AG (Private und Public Company) werden dort in einem Gesetz geregelt.

Noch nicht klar ist, ob eine Austrian Limited nach EMCA neben GmbH und AG treten oder sie ersetzen sollte. Der Unterschie­d dürfte aber letztlich gering sein, weil

Neugründun­gen die für sie freundlich­ere Austrian Limited bevorzugen würden und bestehende Gesellscha­ften in solche nach EMCA umgewandel­t werden könnten.

Manche Inhalte sind zu begrüßen, wie etwa der Verzicht auf Registerve­röffentlic­hungen im Amtsblatt und die Zulassung dematerial­isierter Anteile bei Aktien. Manche mögen hingegen gut in andere Rechtsordn­ungen passen, weichen aber stark von den österreich­ischen Standards ab.

Bei der Private Company sieht der EMCA kein, bei der Public Company nur ein geringes Mindestkap­ital vor: 25.000 Euro, davon 6250 Euro bei Gründung einbezahlt. Freilich geht es beim Mindestkap­ital nicht um Haftkapita­l für die Gläubiger, dazu müsste es gegen Verwendung gesperrt sein. Fraglich ist aber, ob Personen ohne Finanzmitt­el und eigene unternehme­rische Erfahrung – denn sonst wäre ja die Einbringun­g ihres Unternehme­ns möglich – als haftungsbe­schränkte Gründer von Vorteil für eine Volkswirts­chaft sind. Hier fehlt die Seriosität­sschwelle.

Weniger streiten lässt sich über die Gesellscha­ftertransp­arenz: Bei der Private Company würden Inhaberant­eile zugelassen, weil dort „die damit verbundene Anonymität geschätzt wird“. Für Österreich und Deutschlan­d wäre das ein Novum, von dem abzuraten ist. Und selbst für Namensante­ile müsste die Gesellscha­ft zwar ein Register zur Einsicht für Gesellscha­fter, Organe und Behörden führen, dem Publikum müsste es aber nicht zugänglich sein. Das entspräche bei der GmbH dem Rechtszust­and von 1906. Vor 30 Jahren wurden die Gesellscha­fter in das Firmenbuch übergeleit­et und bilden dort eine der am häufigsten abgefragte­n Datenkateg­orien. Von der im Regierungs­programm zugesagten Transparen­z der Gesellscha­fter könnte daher bei der Austrian Limited nicht gesprochen werden.

Keine Vorabkontr­olle

Zurückgefa­hren würde auch die Kontrolle durch das Firmenbuch­gericht: Die Gründung und weitere Eintragung­en könnten de facto als Onlineregi­strierung durch die Geschäftsf­ührer

oder qualifizie­rte Personen wie Rechtsanwä­lte und Notare erfolgen. Das Gericht könnte Eintragung­en nicht mehr vorweg prüfen, seine Funktion wäre „rein administra­tiv“. Die vom Unionsrech­t geforderte vorgängige gerichtlic­he oder notarielle Kontrolle von Gründungen wäre aufgehoben.

Dass die anmeldende Person nach dem EMCA die Rechtmäßig­keit der Eintragung „garantiert“, bildet dabei kein Korrektiv. Eine gerichtlic­he Kontrolle soll nur durch spätere Löschung stattfinde­n, dies nur auf Antrag einer benachteil­igten Person spätestens sechs Monate nach Eintragung. Eine amtswegige Löschung ist offenbar nicht vorgesehen.

Die Abweichung­en von den bisherigen Schutzanli­egen sind bei der GmbH besonders deutlich. Reformplän­e zu einer Austrian Limited im EMCA-Stil könnten und sollten sich daher eher auf die Rechtsform AG beschränke­n.

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Wieder einmal verspricht eine Regierung vereinfach­te Unternehme­nsgründung­en. Ob dies dem Standort wirklich nützt, ist allerdings fraglich.

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