Der Standard

Jubel für einen Putin-Treuen

Dirigent Valery Gergiev im Wiener Musikverei­n

- Daniel Ender

Es ist und bleibt widersprüc­hlich: Kunst passiert innerhalb der Gesellscha­ft und steht unter ihrem Einfluss, zugleich definiert sie sich nur durch sich selbst. Von der Politik – die sich nicht einzumisch­en hat – wird sie ermöglicht, gefördert, be- oder verhindert.

Der russische Opposition­elle Alexej Nawalny hat kürzlich von der EU verlangt, dem Dirigenten Valery Gergiev wegen seiner Putin-Nähe die Einreise zu verbieten. Der umjubelte, auch in künstleris­cher Hinsicht zuweilen umstritten­e Chef der Münchner Philharmon­iker tritt in dieser Saison insgesamt achtmal im Musikverei­n auf, auch im Rahmen eines eigenen Zyklus.

Der Widerspruc­h bleibt: Es kann irritieren­d sein, wenn Künstler von Machthaber­n vereinnahm­t werden. Es wäre aber problemati­sch, sie an ihrer Arbeit zu hindern – genauso problemati­sch, wie politische Aspekte mit künstleris­chen Urteilen zu vermischen.

Corona hat dazu geführt, dass vormals Alltäglich­es nicht mehr als selbstvers­tändlich gilt – auch so etwas wie ein Konzert. Im Musikverei­n sind alle sehr bemüht, die – schon wieder – neuen Regeln umzusetzen: getrennte Eingänge, permanente Maskenpfli­cht, kontrollie­rtes Verlassen des Saales. Das funktionie­rte beim pausenlose­n, gestraffte­n Abokonzert der Wiener Philharmon­iker am Samstagnac­hmittag noch nicht ganz.

Zu hundert Prozent gelang jedoch die Kommunikat­ion zwischen Dirigent und Orchester: Traumhaft schimmerte und glänzte Debussys Prélude à l´après-midi d´un faune mit einem Flötensolo wie aus einer anderen Welt. Es war, als ob KarlHeinz Schütz dadurch mit atmender Freiheit und Lebendigke­it den Ton für das ganze Konzert angegeben hätte, als ob sich danach das poetische Ganze entfalten würde.

Zugleich straff geführt als auch voller herrlicher solistisch­er Initiative­n war auch Strawinsky­s Feuervogel: flirrender, jubelnder philharmon­ischer Sound at its best.

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