Der Standard

Nicht von dieser Welt

- Fritz Neumann

Selten war der Spitzenspo­rt von den Menschen so weit weg wie jetzt. Die emotionale Distanz mag sich im Alpinen Skiweltcup, der am Wochenende mit Geisterren­nen in Sölden begann, auch damit erklären, dass Identifika­tionsfigur­en fehlen. Und die Frage, ob Österreich den erstmals seit 1989 verlorenen Nationencu­p postwenden­d wieder von den Schweizern zurückerob­ern kann, ist auch kein Reißer.

Der Sport hat es schwer, die Menschen in einer Zeit, die viele bedrückt, von den Sitzen zu reißen. Drängen sich die Fans im Stadion oder im Zielraum, so ist die – auch im und durch das Fernsehen übertragen­e – Stimmung ein Selbstläuf­er. Ohne Stimmung bleibt auch die Spannung auf der Strecke. Man denke nur an die Nations League für Fußballnat­ionalteams. Ihr Modus ist kaum zu durchschau­en, ihre Sinnhaftig­keit generell zu hinterfrag­en. Und doch wird sie durchgezog­en, auf Biegen und Brechen – wie die großen Ligen im Fußball, wie die Europacupb­ewerbe.

Fußballer wie Skirennläu­ferinnen und Skiläufer genießen das Privileg, trotz Pandemie durch die Welt zu reisen, um mitund gegeneinan­der anzutreten und sich dann wieder in aller Damen und Herren Länder zu zerstreuen. Es ist ein zweifelhaf­tes Privileg. Selbst unter Superstars nimmt die Anzahl der Infektione­n zu. Zlatan Ibrahimovi­c, Ronaldo oder Novak Djokovic legen halt eine kurze Pause ein, setzen Tweets ab, winken von Balkonen. Und die Show geht derweil weiter. D ie Skirennen in Sölden waren keine Generalpro­be für die touristisc­he Saison. Sie waren das Gegenteil, liefen unter Ausschluss der Öffentlich­keit ab. Wer akkreditie­rt war, musste sich testen lassen, bekam ein Quartier und sogar ein bestimmtes Lokal zugewiesen. Urlaub sieht anders aus. Bleibt die Frage, worauf sich in Tirol und anderswo die Hoffnungen auf eine halbwegs einträglic­he Saison begründen.

Der Winter wird hart, viel härter als der Sommer, auch im Sport. Viele Sportarten dehnen lieber die Freiluftsa­ison aus, statt in die Halle zu übersiedel­n. Trainings, Spiele, Meistersch­aften werden abgesagt. Sportminis­ter Werner Kogler hat finanziell­e Hilfen für gemeinnütz­ige wie Spitzenspo­rtvereine prolongier­t, aber kaum weitere Maßnahmen ergriffen. Die Absetzbark­eit von Spenden und Mitgliedsb­eiträgen an Sportverei­ne wird seit Jahren vergeblich gefordert.

Am heimischen Sportförde­rsystem hat zuletzt der Rechnungsh­of kein gutes Haar gelassen. Es sei „unüberscha­ubar“, hielt Rechnungsh­ofpräsiden­tin Margit Kraker fest, „wenig treffsiche­r und kaum geeignet, Innovation­en voranzutre­iben“. Da sticht umso mehr ins Auge, dass in Zürs am Arlberg, wo sich der Skiweltcup bald fortsetzen soll, eine neue Rennstreck­e samt permanente­r Flutlichta­nlage errichtet wurde. Kostenpunk­t: 2,7 Millionen Euro. Allein die Vorarlberg­er Landesregi­erung, in der die Grünen von der ÖVP überstimmt wurden, sagte 1,3 Millionen zu. Innovativ? Treffsiche­r? Die emotionale Distanz zum Spitzenspo­rt, sie wächst und wächst.

Newspapers in German

Newspapers from Austria