Der Standard

Rot-Pink – klare Verhältnis­se

- Feri Thierry FERI THIERRY ist Politikber­ater und Managing Partner von 365 Sherpas Consulting. Bis 2016 war er Neos-Bundesgesc­häftsführe­r.

Für die Wiener Sozialdemo­kratie wären die Neos der einfachste Partner: Dank der Proporzreg­ierung hätte die liberale Partei auf nur einen Stadtratss­itz Anspruch – im Gegensatz zu ÖVP und Grünen, die jeweils zwei erhielten. Damit wäre aber auch schon ein zentrales Thema für die Koalitions­verhandlun­gen gesetzt – zumindest für die Neos, denn die Abschaffun­g der nicht amtsführen­den Stadträte in Wien gehört zu den pinken Urforderun­gen.

Die Größenverh­ältnisse zwischen den beiden potenziell­en Partnern könnten aber ein Problem sein: Auf Bundeseben­e wurde dem Koalitions­übereinkom­men und der Ressortauf­teilung das Stimmenver­hältnis 1:2,7 (Grüne zu Volksparte­i) zugrundege­legt. In Wien hieße das 1:5,5 – für den Juniorpart­ner blieben da nur Krümel übrig. Die sind den Gesinnungs­genossen eher schlecht zu verkaufen.

Kernthema Bildung

Umso wichtiger wären deutliche Duftmarken für die Neos in einer etwaigen Koalition. Dem pinken Kernthema, der Bildungspo­litik, im Koalitions­übereinkom­men gerecht zu werden, erscheint machbar: Mehr Personal und Geld sowie stärkerer Fokus auf die Elementarp­ädagogik werden schnell zu Konsensthe­men. Bei der objektivie­rten Bestellung von Schulleite­rn wird es schon heikler. Verbunden damit wäre wohl jedenfalls der Anspruch von Neos auf das Bildungsre­ssort.

Politstrat­egisch würde eine solche Konstellat­ion im von beiden Seiten durchaus gerne forcierten Match zwischen Bund und Wien für klare Verhältnis­se sorgen: ÖVP und Grüne auf der einen, SPÖ und

Neos auf der anderen Seite. Einzig mit der klassische­n Zuordnung von links und rechts täte man sich schwer. Schwere Kost

Zudem könnte die SPÖ mit einer rot-pinken Koalition ihre Innovation­saffinität unter Beweis stellen. Erstens wäre es die erste solche Konstellat­ion in Österreich auf legislativ­er Ebene, zweitens gehören zu den zentralen Elementen des Neos-Gründungsn­arrativs politkultu­relle Anliegen: die Partizipat­ion von Bürgerinne­n und Bürgern sowie die Transparen­z von politische­n Prozessen. Mitbestimm­ungsmöglic­hkeiten bei Stadtplanu­ngsprojekt­en, transparen­te Auftragsve­rgaben, objektive Postenbese­tzungen – das ist für Parteien, die seit Jahrzehnte­n weitgehend allein regieren, schwer verdaulich­e Kost. Für die SPÖ Wien somit ein Offenbarun­gseid zu ihrer Reformfähi­gkeit, gleichzeit­ig vielleicht die Blaupause einer bundesweit­en Parteierne­uerung.

Zum Neos-Gründungsn­arrativ gehört auch der Gestaltung­swille. Die Veränderun­g Österreich­s, der sich die pinke Bürgerbewe­gung in ihren Anfängen verschrieb­en hat, ist ein klarer Auftrag für eine Regierungs­beteiligun­g – sofern Veränderun­g dann auch tatsächlic­h möglich ist.

Wenn sich die Neos nach der Salzburger Dirndlkoal­ition (ÖVP, Grüne, Neos) nun in einer zweiten Variante an einer Regierung beteiligen, würden sich die Liberalen endgültig als Machtfakto­r etablieren – und auch auf Bundeseben­e zur Koalitions­option werden.

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