Der Standard

Wäre eine kürzere Quarantäne für Kontaktper­sonen sinnvoll?

Die ÖVP denkt über eine Verkürzung der Heimisolat­ion von K1-Kontaktper­sonen nach. Das Gesundheit­sressort ist skeptisch. Auch Experten sind geteilter Meinung – vor allem die Praxis könnte zum Problem werden.

- FRAGE & ANTWORT: Katharina Mittelstae­dt, Julia Palmai

Frage: Was wird konkret gefordert? Antwort: Mehrere ÖVP-Minister und Kanzler Sebastian Kurz haben in den vergangene­n Tagen eine Diskussion darüber entfacht, ob die Quarantäne von K1-Kontaktper­sonen von derzeit zehn auf fünf Tage verkürzt werden soll – wenn Betroffene dann einen negativen Test vorweisen können. Landläufig bezeichnet man das als „Freitesten“. Wer freigetest­et wird, soll also an Tag sechs wieder nach draußen dürfen und spart sich fünf Tage Isolation.

Frage: Warum will die ÖVP das? Antwort: Kurz argumentie­rt, dass die lange Quarantäne­dauer das Land „lähmt“– also vor allem den Wirtschaft­sstandort. Wenig überrasche­nd spricht sich deshalb auch die Wirtschaft­skammer dafür aus. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) ist skeptisch, er lässt die Möglichkei­ten derzeit prüfen.

Frage: Wer ist überhaupt ein K1Kontakt?

Antwort: K1-Personen sind vor allem all jene Menschen, die sich mit einer infizierte­n Person für 15 Minuten oder länger nahe im selben Raum aufgehalte­n haben. Im Rahmen des Contact-Tracings werden sie ausfindig gemacht. Aktuell ist es so, dass K1-Personen ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Infizierte­n zuletzt gesehen haben, für zehn Tage in Quarantäne müssen – auch wenn sie keine Symptome zeigen.

Frage: Wie lange dauert es denn in der Regel, bis man Symptome zeigt, wenn man sich infiziert hat? Antwort: Die Inkubation­szeit – also der Zeitraum zwischen Ansteckung und Beginn der Erkrankung – wird in den meisten vorliegend­en Studien mit fünf bis sechs Tagen angegeben. Sowohl die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) als auch das

European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sprechen von einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen – durchschni­ttlich dauert es aber eben fünf bis sechs Tage, bis jemand Symptome zeigt.

Frage: Und wie lange sind Infizierte im Schnitt ansteckend?

Antwort: Der genaue Zeitraum, in dem man ansteckend ist, wurde noch nicht klar definiert. Als gesichert gilt, dass die Ansteckung­sfähigkeit bei Symptombeg­inn am größten ist. Ein erhebliche­r Teil der Übertragun­g erfolgt bereits vor dem Auftreten erster klinischer Symptome, sagt das Robert-Koch-Institut. Außerdem weiß man, dass die Ansteckung­sfähigkeit im Laufe der Erkrankung abnimmt; Schwerkran­ke sind tendenziel­l länger infektiös.

Frage: Ist eine Verkürzung der Quarantäne aus medizinisc­her Sicht also überhaupt vertretbar?

Antwort: Der Virologe Christoph Steininger von der Universitä­t Wien kann der Idee durchaus etwas abgewinnen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Tatsächlic­h sei zu überlegen, Kontaktper­sonen bereits nach fünf statt zehn Tagen aus der Quarantäne zu entlassen, wenn ein negatives Testergebn­is vorliegt. Schließlic­h zeige ein PCR-Test ein positives Ergebnis schon drei Tage vor Ausbruch der Krankheit an, womit für insgesamt acht Tage Sicherheit gegeben wäre, argumentie­rt Steininger. Allerdings müssten die Testresult­ate dafür rasch vorliegen. Die Idee könnte also auch an der Praxis – konkret den Testkapazi­täten – scheitern.

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