Der Standard

Merz wirft der CDU vor, ihn „verhindern“zu wollen

Konservati­ve hatten wegen Corona ihren Parteitag verschoben – Kandidat sieht sich benachteil­igt

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FManuel Escher

riedrich Merz gegen das Establishm­ent: So hätte das Rennen um den Parteivors­itz der deutschen CDU wohl letztlich immer ausgesehen. Nun aber macht es Merz explizit. Die Entscheidu­ng der CDU-Führung, den für 4. Dezember geplanten Parteitag – und damit die Führungsen­tscheidung in der Partei – wegen Corona ins nächste Jahr zu verschiebe­n, sei „die volle Breitseite des Establishm­ents“, schimpfte der 64-jährige Ex-Fraktionsc­hef.

Am Dienstag ging er via Twitter noch einen Schritt weiter und unterstell­te seiner Partei sogar eine Verschwöru­ng gegen ihn: Es handle sich um eine abgekartet­e Aktion, um seinen Sieg noch zu verhindern und um Zeit zu gewinnen, einen weiteren Kandidaten zu nominieren. Das sei aus Sicht der Parteiführ­ung offenbar nötig, so Merz, „denn immerhin führe ich in den Umfragen“. Seine zwei Gegner, der nordrheinw­estfälisch­e Ministerpr­äsident Armin Laschet und der Außenpolit­ikSpeziali­st und Ex-Umweltmini­ster Norbert Röttgen, seien ihm bisher nicht gewachsen, deutete er an.

Laschet und Röttgen hatten sich da schon abwartend positiv zur Absage des Parteitags geäußert. Man könne keinen Präsenzpar­teitag mit 1001 Delegierte­n machen, während man andere Veranstalt­ungen verbiete, so Laschet. Röttgen sagte, er bedaure die Absage, begrüße sie aber dennoch, da sie „in der Sache richtig“sei. Zu den Äußerungen Merz’ wollten beide vorerst keine Stellungna­hme abgeben.

Digital ist anfechtbar

In ihre missliche Lage geraten war die CDU auch wegen des deutschen Grundgeset­zes, das Parteien vorschreib­t, in welchem Rahmen sie ihr Führungspe­rsonal zu wählen haben. Die innerparte­iliche Demokratie muss demnach unter anderem dadurch gewährleis­tet sein, dass die Partei ihren Vorstand durch eine „Mitglieder- oder Vertreterv­ersammlung“wählen lasse. Ob das zugehörige Wahlgesetz einen digitalen Parteitag erlaubt, ist umstritten. Merz hatte diesen gefordert, CDUGeneral­sekretär Paul Ziemiak aber fürchtet, dass das Ergebnis später anfechtbar sein könnte. Daher habe man dagegen entschiede­n.

Während sich Ziemiak nicht konkret zu Merz’ Vorwürfen äußern wollte, kam aus der bayerische­n CSU, der Unionspart­nerin der CDU, Unverständ­nis. Merz bewerbe sich nicht nur um den Parteivors­itz, sondern wolle später auch Kanzlerkan­didat der Union für die Bundestags­wahlen im kommenden Jahr werden, führte Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt aus. In hohen Ämtern sei es aber doch Berufsvora­ussetzung, auch mit unerwartet­en Ereignisse­n umgehen zu können.

Die Kritik der CSU mag dabei nicht ganz uneigennüt­zig sein. Denn auch ihrem Parteichef Markus Söder, der sich als bayerische­r Ministerpr­äsident in der Corona-Krise profiliert hat, wird deutliches Interesse an der gemeinsame­n Kanzlerkan­didatur in der Union nachgesagt.

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