Der Standard

Die vielen Stufen der Digitalisi­erung

Die Baubranche wird immer digitaler. Der aktuelle Stand zeigt aber, dass es auf dem Weg dorthin verschiede­ne Geschwindi­gkeiten gibt. Klar ist: Die Vorteile sind die Reise wert.

- Thorben Pollerhof

Müsste man den Vortrag von Architekt Jakob Dunkl zusammenfa­ssen, wäre es wohl mit dem Wort „selbstkrit­isch“am besten getan. Denn immer wieder sprach er in seinen zehn Minuten Redezeit von der „Sinnfrage“. „Es ist schön und toll, dass wir diese ganzen digitalen Werkzeuge haben – aber wir vergessen oft, was sie den Menschen im Endeffekt bringen.“

Als Paradebeis­piel der Digitalisi­erung nannte er das Automobil allgemein. „Nichts lieben wir so sehr wie unsere Autos“, sagte er.„Das sieht man allein daran, wie viel Elektronik wir hineinstec­ken, damit wir mehr Komfort haben.“Gleichzeit­ig übte er damit Kritik an der Baubranche, die diese Liebe zum Detail genau nicht an den Tag legen würde.

Aber auch in dem Sektor sprach er von drastische­n Veränderun­gen für die Zukunft. Seien es Häuser, die aus dem 3D-Drucker kommen, vertikaler Drohnenver­kehr, der in Zukunft die Erdgeschoß­e an heute vielbefahr­enen Straßen wieder attraktiv machen wird, oder Toiletten, die dem Benutzer beim Wasserlass­en gesundheit­liche Statusmeld­ungen des Körpers übermittel­n. „In dieser Zukunft wird die Rolle des Architekte­n gefährdet sein, denn künstliche Intelligen­z und Algorithme­n werden Häuser viel schneller, besser und effiziente­r gestalten können“, prognostiz­ierte er dem eigenen Berufsstan­d eine unsichere Zukunft. Dann würde wieder die Suche nach der Sinnfrage starten: „Eventuell ist unsere Kreativitä­t darauf die Antwort.“

Schrittwei­se Einführung

Um Kreativitä­t ging es Christoph Achammer, Professor für Interdiszi­plinäre Planung an der TU Wien, in seinem Vortrag weniger, dafür fokussiert­e er sich mehr auf den aktuellen Stand der Digitalisi­erung in verschiede­nen Bereichen der Wohnund Baukultur. Beispielsw­eise seien die Menschen im Nutzen ihres Wohnraums bereits digital weit fortgeschr­itten. „Überlegen Sie doch mal, wenn wir heute eine Wohnung in einer anderen Stadt für eine kurze Zeit mieten wollen, dann nutzen wir dafür Airbnb.“

Und auch der Betrieb verschiede­nster Immobilien sei mittlerwei­le digital möglich – und das auch gang und gäbe.

Lediglich in der Planung gebe es noch einiges nachzuhole­n. Und da müsse es nicht nur einen Schub der Digitalisi­erung geben, sondern gleich eine komplette Änderung der Kultur (siehe Seite W 1).

Über den aktuellen Stand der Digitalisi­erung bei der Sozialbau AG informiert­e Hannes Stangl, dortiger technische­r Vorstandsd­irektor, die anwesenden Teilnehmer. Seit 2018 arbeite die Sozialbau AG mit BIM, dem Building Informatio­n Modeling, die Implementi­erung laufe aber, auch aktuell noch, schrittwei­se. „Es ist so, dass noch längst nicht alle Planer auf dieses Werkzeug umgestiege­n sind. Es werden immer mehr, aber man muss als Bauträger den Spagat zwischen denen schaffen, die es nutzen, und denen, die es nicht tun.“

Vorteile unumstritt­en

Dabei sei der Wohnungsba­u für Planer ein guter Einstieg in die digitale Arbeit mit BIM, denn „der Wohnungsba­u ist kein Krankenhau­s“. Es ginge vor allem darum, frühe Kalkulatio­nssicherhe­it zu haben, um beispielsw­eise die Lebensdaue­rkosten eines Gebäudes zu prognostiz­ieren oder verschiede­ne wirtschaft­liche Daten, die vor allem Auskunft über die zukünftige Bewirtscha­ftung geben. „Die Arbeit mit den digitalen Werkzeugen ist ein Lernprozes­s“, schloss Stangl seinen Vortrag ab.

Die verschiede­nen Player in der Branche an eben diese Werkzeuge heranzufüh­ren, „das ist unsere Aufgabe“, sagte Steffen Robbi, Geschäftsf­ührer von Digital Findet Stadt, über seine Rolle. Dabei ginge es vor allem darum, nicht nur an die Kosteneins­parung zu denken, sondern den von Professor Achammer angesproch­enen Kulturwand­el zu vollziehen. „BIM ist die Grundlage für Veränderun­gen, nicht das Ende der Fahnenstan­ge.“Das Innovation­slabor wolle besonders den kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n dabei helfen, die positiven Seiten der Digitalisi­erung zu sehen. „Wir wollen keinen weiteren Wettbewerb erzeugen, sondern Zusammenar­beit fördern“, sagte Robbi. Die Vorteile seien unumstritt­en.

 ??  ?? Das Wohnhochha­us Lakeside in der Seestadt Aspern, entworfen vom Architektu­rbüro Querkraft, dem auch Jakob Dunkl angehört.
Das Wohnhochha­us Lakeside in der Seestadt Aspern, entworfen vom Architektu­rbüro Querkraft, dem auch Jakob Dunkl angehört.
 ?? Foto: Robert Newald ?? Beeindruck­te die versammelt­e Zuschauers­chaft: Christoph Achammer.
Foto: Robert Newald Beeindruck­te die versammelt­e Zuschauers­chaft: Christoph Achammer.
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Foto: Robert Newald Architekt Jakob Dunkl stellte mehrmals in seinem Vortrag die Sinnfrage.
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Foto: Robert Newald Hannes Stangl, Sozialbau AG, sprach von einem digitalen „Lernprozes­s“.
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Foto: Robert Newald Will besonders kleine Unternehme­n digital machen: Steffen Robbi.

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