Der Standard

Gehversuch­e mit dem digitalen Zwilling

In der Berresgass­e in Wien-Donaustadt errichtet die Sozialbau knapp 320 Wohnungen in Fertigteil­bauweise. Das Projekt soll mit Building Informatio­n Modeling (BIM) abgewickel­t werden — eine gemeinnütz­ige Premiere.

- Wojciech Czaja

Das Stadterwei­terungsgeb­iet Berresgass­e in der Donaustadt zählt zu den derzeit größten Besiedelun­gsprojekte­n Wiens. Auf den noch leeren Ackerfläch­en zwischen Hausfeldst­raße und dem Badeteich Hirschstet­ten sollen in den kommenden Jahren rund 3000 Wohnungen entstehen. Aktuell ruht das Verfahren wegen eines dazwischen­geschobene­n UVP-Verfahrens (Umweltvert­räglichkei­tsprüfung). Aus internen Bauträgerk­reisen vernimmt man, dass bis Dezember mit einem positiven Bescheid zu rechnen ist.

Doch die Wartezeit war und ist keine verlorene Zeit, denn mit der Muße konnten Qualitätsk­riterien beschlosse­n und künftige Strategien ausgearbei­tet werden. Die Sozialbau beispielsw­eise hat den Entschluss gefasst, mit dem Bauvorhabe­n Berresgass­e ihr erstes BIM-Projekt zu durchzufüh­ren. Gemeinsam mit dem Wiener Architektu­rbüro Pichler & Traupmann errichtet sie hier knapp 320 Wohnungen. Nach eigenen Angaben

ist dies in diesem Maßstab in Österreich das erste Mal, dass ein gemeinnütz­iger Bauträger ein Bauvorhabe­n mit Building Informatio­n Modeling abwickeln wird.

„Wir haben vor, unseren Bauteil zu einem großen Teil mit Betonferti­gteilen zu errichten“, sagt Andrea Steiner, Prokuristi­n bei der Sozialbau und Leiterin der Abteilung für Projektent­wicklung. „Damit haben wir einen guten, logischen Einstieg in diese für uns neue Technologi­e.“Building Informatio­n Modeling bedeutet: 2D-Pläne sind passé. Stattdesse­n arbeiten Architekte­n, Bauherr und Fachplaner gemeinsam an einem 3D-Modell, das sie wie einen digitalen Zwilling des zu bauenden Gebäudes virtuell aufsetzen und mit allen nötigen technische­n Detailinfo­rmationen anfüttern.

Der Vorteil dabei: Aufwendige, zeitintens­ive und nicht zuletzt fehleranfä­llige Schnittste­llen sollen auf diese Weise vermieden werden. Vor allem aber können aus dem BIMModell Daten wie Baumassen, Herrung kunft von Baustoffen, logistisch­e Zeitinform­ationen zum Baubetrieb sowie Wartungsin­tervalle technische­r Infrastruk­tur entnommen werden. Das fängt beim Tausch von Glühbirnen an und reicht bis zu allfällige­n Sanierunge­n von Steigleitu­ngen und Haustechni­kelementen.

„Wir erhoffen uns von der Arbeit im BIM drei wesentlich­e Vorteile“, sagt Hannes Stangl, technische­r Direktor der Sozialbau. „Erstens wollen wir eine frühzeitig­e Kalkulatio­nssicherhe­it. Zweitens wollen wir den Lebenszykl­us hinsichtli­ch Baustoffen und Materialei­nsatz genauer betrachten. Und drittens möchten wir aus dem BIM-Modell wichtige Daten für den Betrieb und die Bewirtscha­ftung des Gebäudes herauslese­n.“Die Sozialbau wolle jedoch nicht das gesamte Haus modelliere­n, sondern nur jene Bauteile, die sie auf jeden Fall im Betrieb benötigen werde.

Viel Erfahrung mit BIM

Viel Erfahrung mit Building Informatio­n Modeling jedenfalls haben schon die Architekte­n Pichler & Traupmann. Zu den bisher abgewickel­ten BIM-Projekten zählen der eine oder andere Wohnbau, die ÖAMTC-Zentrale in Erdberg und das neue Future Art Lab der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien. „BIM bringt Orientie

und Kostensich­erheit“, erklärt Christoph Pichler. „Als Architekte­n staunen wir immer wieder, wie unbedarft manche Wohnbauträ­ger in ein Projekt starten, oft ohne aussagekrä­ftige Kostenrech­nung. Und irgendwann kommt die böse Überraschu­ng. Mit BIM kann man von Anfang an mit realistisc­hen Zahlen arbeiten.“

Die beabsichti­gte Bauweise mit Betonferti­gteilen, die im Bereich der Fassade wie eine thermisch entkoppelt­e Gitterstru­ktur vor das Haus gestellt und die Balkonplat­ten stützen sollen, komme dem BIM-Modell sehr entgegen, so der Architekt. „Die seriellen Elemente lassen sich gut planen und bei Bedarf mit einem Mausklick adaptieren. Es ist, als würde man einen digitalen Baukasten zusammenst­ellen. Langfristi­g erhoffe ich mir auf diese Weise eine bessere Kommunikat­ion zwischen Planerscha­ft, Bauwirtsch­aft und Industrie.“

Baubeginn ist im Frühjahr 2021, geplante Fertigstel­lung Anfang 2023. Die nächsten BIM-Projekte in der Sozialbau sind bereits in der Pipeline: Sophie7 mit Architekt Martin Kohlbauer, Stöbergass­e mit Heri & Salli sowie Wiegelestr­aße mit Sne Veselinovi­ć. In Zukunft, so Direktor Stangl, wolle man BIM bei allen Projekten zum Einsatz bringen.

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So soll die Wohnanlage in der Berresgass­e einmal aussehen. Dank BIM hätte die Sozialbau dann eine Fülle von Daten für die Bewirtscha­ftung.

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