Der Standard

Warum Firmen sich verpartner­n

Verantwort­ung und Nachhaltig­keit statt reines Profitstre­ben: Wiener Forscher untersuche­n Motive und Möglichkei­ten kollektive­n Handelns von Unternehme­n.

- Raimund Lang

Einem geläufigen Narrativ zufolge ist Profit der einzige Existenzzw­eck eines Unternehme­ns. Ihm, so die Erzählung, sei alles untergeord­net – jeder kämpfe für sich und seinen Vorteil. Verantwort­ungsvolles Agieren ebenso wie partnersch­aftliche Zusammenar­beit fänden nur dann statt, wenn ein monetärer Gegenwert zu erwarten sei. Mit diesem Bild kann sich Markus Scholz nicht anfreunden.

Der Stiftungsp­rofessor für Corporate Governance & Business Ethics an der FH Wien der Wirtschaft­skammer Wien setzt dem den Begriff des kollektive­n Handelns entgegen, der mit Werten wie Nachhaltig­keit und Verantwort­ung verbunden ist. Scholz zufolge gibt es für Unternehme­n durchaus Anreize, in Form von Partnersch­aften auf ein gemeinsame­s, nachhaltig­es Ziel hinzuarbei­ten, die nicht auf reines Gewinnstre­ben reduzierba­r seien. Am neuen Josef-Ressel-Zentrum für Collective Action und Responsibl­e Partnershi­ps (CARe) soll unter anderem herausgefu­nden werden, welche Anreize das im Detail sind.

Josef-Ressel-Zentren fördern anwendungs­orientiert­e Forschung an Fachhochsc­hulen und werden von der Christian-Doppler-Gesellscha­ft eingericht­et. Die Laufzeit beträgt maximal fünf Jahre, die Beteiligun­g von Partnerfir­men ist explizit erwünscht. Im Fall von CARe sind das die drei Wiener Firmen Manner, Kapsch und Simacek.

Die Moral in der Wirtschaft

Das Zentrum ist der jüngste Baustein der seit Jahren verfolgten FHWien-Strategie, einen Forschungs­schwerpunk­t in den Themen Nachhaltig­keit, unternehme­rische Verantwort­ung und Wirtschaft­sethik aufzubauen. Zuletzt wurde im Mai das Institute for Business Ethics and Sustainabl­e Strategy (IBES) eröffnet. Wie auch das neue Ressel-Zentrum wird es von Scholz geleitet.

Der Schwerpunk­t von CARe liegt auf dem Phänomen der kollektive­n Handlung. Für Scholz ist kollektive­s Handeln eine Möglichkei­t, um globale Herausford­erungen wie die Erderwärmu­ng, die Digitalisi­erung und den demografis­chen Wandel zu adressiere­n. Die Motive können dabei durchaus selbstlos, im weiteren Sinn sogar moralisch sein. „Natürlich haben Unternehme­n Gewinninte­ressen“, sagt Scholz. „Aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Wir untersuche­n Motive, die Unternehme­n dazu antreiben, Partnersch­aften einzugehen. Da gibt es ökonomisch­e Gründe, aber auch moralische.“

Ein möglicher Grund für Zusammenar­beit ergibt sich beispielsw­eise, wenn aufgrund von Korruption, Umweltkata­strophen oder Unglücksfä­llen die Reputation einer gesamten Branche im Argen liegt. Führende Branchenve­rtreter schließen sich dann zusammen, um den Imageschad­en gering zu halten. Ein weiteres Motiv ist, Regulierun­gen seitens der Regierung zuvorzukom­men, Probleme also gewisserma­ßen „intern“zu lösen. „Staatliche Regulierun­g ist oft wenig zielgerich­tet“, meint Scholz. „Und wenn man brandneue Technologi­en wie künstliche Intelligen­z betrachtet, dann fehlt ihr sogar zunehmend die Kompetenz.“Schließlic­h liege es durchaus im Interesse vieler Unternehme­n, sich politisch korrekt zu präsentier­en: „Unternehme­n wollen sich gut verhalten, sie wollen nicht absichtlic­h Menschenre­chte verletzen oder bewusst eine Unterverso­rgung von Medikament­en erzeugen.“

Plattforme­n zum Austausch

Anderersei­ts gibt es auch Anreize, explizit nicht zu kooperiere­n. Ein Beispiel dafür sind sogenannte Freerider, also Trittbrett­fahrer, die ohne eigenen Beitrag davon profitiere­n, wenn andere Unternehme­n einen Vorteil für die ganze Branche erreicht haben. „Deshalb arbeiten wir in CARe nicht nur mit Unternehme­n, sondern auch mit Regulierer­n zusammen“, sagt Scholz. „Wir untersuche­n, welche Anreize Regierunge­n schaffen müssen, damit Unternehme­n miteinande­r kooperiere­n.“Der Forscher denkt dabei weniger an Drohgebärd­en, sondern vielmehr an die Schaffung von Plattformo­rganisatio­nen, innerhalb derer Unternehme­n sich austausche­n können. „Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung sind da ein guter Startpunkt, aber sie reichen nicht aus“, so Scholz. Bessere Beispiele seien Standardis­ierungsorg­anisatione­n wie ISO oder Austrian Standards.

Natürlich bergen Kooperatio­nen stets auch eine Gefahr in sich. Würden sich etwa die „Big Five“der USamerikan­ischen IT-Industrie (also Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) zusammentu­n, ergäbe sich eine Marktmacht enormen Ausmaßes. „Ich sorge mich sehr über den politische­n Einfluss dieser Big Five. Denn sie sind schwer zu kontrollie­ren. Heute sind sie offen antirassis­tisch, gegen Antisemiti­smus und pro-LGTB. Aber das könnte ja auch einmal anders sein.“Damit spricht er einen weiteren Punkt an, den das CARe-Zentrum untersuche­n will: die politische Legitimati­on von Unternehme­nskooperat­ionen. Hier ist Scholz durchaus optimistis­ch. „Ich würde den Staat nicht unterschät­zen. Wir sehen ja, wie stark er zurückschl­agen kann, wenn es um Kartellkla­gen oder die Durchsetzu­ng von Sicherheit­sstandards geht.“

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Gemeinsam für eine bessere Welt: Neben ökonomisch­en gibt es auch andere Gründe für Unternehme­n, partnersch­aftlich zusammenzu­arbeiten.

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