Der Standard

Dem Himmel so nah

Gespräch mit dem Geiger Christoph Koncz, der auf Mozarts Instrument dessen Violinkonz­erte eingespiel­t hat

- Stefan Ender

Dieses Instrument hat so einiges erlebt. Zahlreiche Messdienst­e etwa vor einem Vierteljah­rtausend im Salzburger Dom, um im Auftrag des Fürsterzbi­schofs Colloredo Gottes Größe klingend zu lobpreisen. Lange Reisen in einer Postkutsch­e durch deutsche Lande bis nach Paris und wieder zurück. Und wer trug sie dabei auf Händen und entlockte ihr die schönsten Töne? Ein äußerst begabter Teenager, Wolfgang Amadeus Mozart.

Christoph Koncz ist kein Teenager mehr, obwohl dem Wiener mit seinen 33 Jahren immer noch ein jugendlich­es Äußeres gegeben ist. Der Vorgeiger der Wiener Philharmon­iker ist derjenige, der Mozarts Geige aktuell spielen darf. Die Stiftung Mozarteum, in deren Tresorraum die Geige normalerwe­ise ruht, hat die Kostbarkei­t zeitweilig Koncz anvertraut, damit er mit den Musiciens du Louvre (für Sony) Mozarts Violinkonz­erte einspielt.

Mit Mozarts Werken war der Hochbegabt­e schon seit Kindesbein­en in Kontakt. Wie war es nun, als Koncz Mozarts Instrument zum ersten Mal in Händen hielt und so dem Musikgenie quasi physisch nahekam? Koncz wählt den religiös konnotiert­en Begriff eines „Erweckungs­erlebnisse­s“, um seine Gefühle zu beschreibe­n, als er Mozarts „Reliquie“erstmals gespielt hat. Die Geige, so Koncz, wurde wahrschein­lich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts in Mittenwald von Aegidius Klotz gebaut und befindet sich noch im Originalzu­stand – eine Seltenheit, da im 19. Jahrhunder­t selbst Stradivari-Geigen modernisie­rt wurden. Mozarts Geige habe „besondere Qualitäten speziell auf den oberen Saiten“, um einen kantablen Ton herzustell­en. Er habe schnell Wege gefunden, mit dieser Barockgeig­e „ins Zwiegesprä­ch zu kommen“, so Koncz, der für die Aufnahme von Mozarts Violinkonz­erten auch Kadenzen komponiert­e.

Wenn er diese auf Mozarts ehemaligem Instrument interpreti­ert, fühle es sich an, als ob sich ein „Dialog über die Jahrhunder­te“hinweg ereignen würde, schwärmt der Geiger. Ein akribische­s Quellenstu­dium und Philharmon­iker-Konzerte mit Nikolaus Harnoncour­t halfen übrigens beim Sprachvers­tändnis.

Für die Aufnahme der MozartViol­inkonzerte war es dem dirigieren­den Geiger ein Bedürfnis, „größtmögli­che Authentizi­tät herzustell­en“. So wurde auch die Besetzung der Salzburger Hofkapelle rekonstrui­ert: Die Musiciens du Louvre, als deren Erster Gastdirige­nt Koncz fungiert, spielen mit 28 Musikern. Koncz hat sich erlaubt, die Basslinie mit einem Fagott zu verstärken.

Wie wird der Lebensweg des Philharmon­ikers weitergehe­n, der seit 2019 auch die Deutsche Kammerakad­emie Neuss leitet? „Die Intensität meiner Auftritte als Dirigent soll zunehmen.“Im Moment greift Koncz allerdings noch mehr zur Geige als zum Dirigierst­ab – mitunter auch zu jener von Mozart.

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Foto: Caroline Doutre Im Dialog mit dem Original: der Geiger Christoph Koncz.

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