Der Standard

Das Virus kennt kein Tabu

- Thomas Mayer

Man mag dem steirische­n Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer vieles vorwerfen. Für eines steht der bekennende Großkoalit­ionär und lebenslang­e Sozialpoli­tiker bei seinem Vorschlag, man solle einen „verfassung­smäßig gangbaren Weg“zur Kontrolle der Corona-Regeln auch im privaten Bereich suchen, nicht: für eine Politik, die „austrofasc­histische Überwachun­gsfantasie­n“ausleben will, wie der blaue Klubchef Herbert Kickl meint.

Das ist ein absurder Vorwurf. Er kommt in einer Zeit, in der die zweite Welle der Corona-Pandemie einem halben Dutzend EU-Staaten erneut Lockdown-ähnliche Zustände bescherte; und Regierunge­n unter demokratis­ch und rechtsstaa­tlich einwandfre­ien Umständen harte Beschränku­ngen von Grundrecht­en setzen – im öffentlich­en wie im privaten Bereich.

Natürlich ist dabei besondere Vorsicht, legistisch­e Zurückhalt­ung geboten. Aber es ist auch klar, dass etwa das Recht auf Leben über dem Recht auf Freiheit des Einzelnen steht, notfalls über dem Recht auf Schutz des privaten Wohnbereic­hs.

Menschen, die im Partykelle­r oder im Garten Corona-Partys abfeiern, die andere gefährden, sind ein Problem. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der private Raum quasi über dem Gesetz stehe, der Staat dort niemals eingreifen darf, wenn das Gemeinwohl gefährdet ist. Das sollte seriös diskutiert, wenn nötig im Einklang mit der Verfassung geregelt oder im Zweifel verworfen werden. Das Virus kennt kein Tabu.

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