Statistiker im Ruhestand bildet das Volk
Erich Neuwirth ist einer, der etwas zurückgeben will. Vor seinem Ruhestand war der in Niederösterreich geborene Statistiker und Mathematiker Leiter des Fachdidaktischen Zentrums für Informatik an der Universität Wien. Schwerpunkte seiner Forschung sind Wählerstromanalysen, die PisaStudie, angewandte Statistik, Kombinatorik sowie Mathematik und Musik. Seine große Mission war es schon immer, die Themen seiner Fachbereiche so aufzubereiten, dass sie für eine breitere Öffentlichkeit relevant und verständlich werden.
Nun, in Zeiten der Corona-Krise, nimmt Neuwirth das ernster denn je.
Kaum einer in Österreich kennt die Covid-Zahlen besser als er.
Seit Monaten veröffentlicht der 72Jährige auf seiner Website „Just the Covid facts“sowie mehrmals täglich auf Twitter aktuelle Daten und Grafiken zur Pandemie aus Österreich und der ganzen Welt. Von Ampelkarten und -animationen über Hospitalisierungszahlen bis hin zu Daten zu den durchgeführten Tests ist alles dabei. Neuwirth legt transparent seine Quellen und Methoden offen, seine Tweets sind sachlich und neutral.
Etwas lauter wird der Experte nur, wenn es um die Verfügbarkeit von Daten geht, die Forscherinnen und Forschern in Österreich zugänglich gemacht werden. Neuwirth kämpft für mehr und besser gegliederte Covid-Daten und fordert im Sinne von besserer Vergleichbarkeit und Transparenz, dass sämtliche Zahlen aus einer Hand veröffentlicht werden. Er spricht von einer „missglückten Informationspolitik“und macht jenen Stellen Druck, die dafür verantwortlich sind. Laut ihm fehlen derzeit etwa Informationen zur Altersstruktur bei den durchgeführten Tests, Daten zur Anzahl der Cluster sowie ihrer Größe oder Zahlen dazu, wie lange Covid-Patienten in Österreich im Spital bleiben.
Im Hinblick auf die allgemeine Einschätzung der Lage rät Neuwirth im Übrigen zum Blick auf die Zahl der Hospitalisierungen. Denn sie sei unabhängig von der Zahl der Neuinfektionen – die auch damit zu tun hat, wie viel getestet wird – ein guter Indikator.
Neuwirth übernimmt in dieser Krise eine Rolle, die eigentlich Aufgabe der öffentlichen Hand wäre, wie er auch selbst sagt. Als Beamter im Ruhestand ist er pragmatisiert – „das ist ein Privileg, das mir die Gesellschaft verliehen hat“, schreibt er auf Twitter und fühlt sich daher verpflichtet, etwas zurückzugeben und den Mächtigen zu widersprechen. Bernadette Redl