Individualismus gegen Norm und Eigensinn wider Konventionen
Mit dem Programm „Austrian Auteurs“auf Zeitreise in die Welt des österreichischen Films der 1970er-Jahre
Über das Verhältnis zwischen Kino und TV gibt es ein hartnäckiges Klischee: Fernsehen ersetzt die Würde des Kinos (komplexes Bild, differenzierte Erzählung) durch oberflächliche Formen und seichte Ware (Serien, Shows).
In den 1970ern war es in Österreich aber fast umgekehrt: Der ORF entsprach seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag mit einer Vielzahl von interessanten, auch unterhaltsamen Produktionen (von der Alpensaga bis Ein echter Wiener geht nicht unter), während das Kino gerade erst wieder Tritt zu fassen versuchte.
Auch wenn diese Unterscheidung insgesamt ohnehin nur beschränkte Relevanz haben kann, ist der Blick, den das Filmarchiv Austria mit der Schau Austrian Auteurs auf diese Periode richtet, doch ungeheuer aufschlussreich. Bisher war diese Zeit relativ wenig erschlossen, man kannte zwar Höhepunkte wie Schwitzkasten von John Cook oder Totstellen von Axel Corti. Nun aber wird eine reich differenzierte Landschaft erkennbar, in der es natürlich zahlreiche Verbindungen zum Fernsehen gab, in der aber auch ein deutlicher Wille erkennbar ist, an die Filmgeschichte anzuschließen.
Nirgends wird dies deutlicher als in einem Solitär wie Die ersten Tage (1971) von Herbert Holba, der damals mit dem Action-Filmclub eine der wichtigsten Vermittlerfiguren war.
Schon das erste Insert weist mit dem Genrebegriff des „Kinematogramms“aus, dass es um reines Kino geht, also weitgehend von einer Erzählung befreit, wenngleich sich eine solche in poetisierter Form durch Zwischentitel doch andeutet.
Gefischte Gefühle
Irgendwo zwischen Hippiefantasie, Bergman-Mittelalter à la Das siebente Siegel und Postapokalypse sucht Holba hier auf den Spuren der deutschen Kinopioniere wie Manfred Noa, Otto Rippert und den Brüdern Skladanowsky nach einem klarerweise nur phantasmagorisch erreichbaren Urzustand des Kinos.
Gänzlich anders hingegen der Ausgangspunkt in Manfred Kaufmanns Gefischte Gefühle (1980), der seines pointierten Titels wegen nie ganz vergessen, aber nicht leicht zu sehen war. Nach einem poetischen Prolog über das Schwache und das Harte sieht man einen jungen Mann bei der Arbeit und im Privatleben. Er interviewt einen Mann über dessen Ehe, die einer anderen Frau wegen vor dem Ende steht.
Das Interview wird mit einer Videokamera aufgenommen, die Mediengegenwart drängt sich in das Filmbild. Gefischte Gefühle ist ein Emanzipationsfilm und ein Zeitdokument ersten Ranges.
Mit dem Begriff des Auteurs spielt das Filmarchiv auf die zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach verpuppte französische Politik der Autoren an, ein ursprünglich auf das Verhältnis zum Mainstreamkino bezogenes kritisches Verhältnis, das individuellen Ausdruck gegen industrielle Form und Eigensinn gegen Konvention setzte.
Eine wichtige Voraussetzung ist, dass sie überhaupt eine Karriere haben. Die Austrian Auteurs sind vielfach durch Diskontinuitäten geprägt: Angela Summereder, Valie Export, Georg Lhotsky oder eben Manfred Kaufmann haben, aus sehr unterschiedlichen Gründen, eher sporadisch als regelmäßig Kino gemacht. Am ehesten würde man Mansur Madavi als Auteur sehen, geboren 1942 in Ostaserbaidschan, später Maturant an einem Wiener Realgymnasium und bis 1980 einer der produktivsten Regisseure in Österreich.
Die Schau Austrian Auteurs ist mit einer kleinen Auskopplung (bis 30. 10.) im Programm der Viennale präsent und läuft im November weiter – große Empfehlung.