Bundesländer verhängen schärfere Maßnahmen als Bund
Oberösterreich beschränkt Privatfeiern Im Burgenland Testpflicht vor Heimbesuch
Wien – Die Bundesländer führen strengere Bestimmungen als zuletzt der Bund ein, um gegen die steigende Zahl an Covid-19-Infektionen vorzugehen. Die Verantwortlichen fürchten, dass in absehbarer Zeit ein Engpass in der medizinischen Versorgung entstehen könnte. In Oberösterreich werden daher private Feiern ab Freitag strenger reglementiert, im Burgenland müssen Besucher in Krankenhäusern und Pflegeheimen ab Donnerstag vor Ort einen Test absolvieren, und in der Steiermark wurde ein Besuchsverbot in Spitälern erlassen.
Um Partys in Garagen und Stadeln einzuschränken, sollen in Oberösterreich dort künftig dieselben Regeln wie bei jeder Veranstaltung in Innenräumen gelten: Bei mehr als sechs Gästen müssen fixe Sitzplätze zugewiesen sein, und die Feier muss bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft angezeigt werden. Das solle auch von der Polizei kontrolliert werden, kündigte Landeshauptmann Stelzer (ÖVP) an. In Wohnungen und Häusern soll es demnach keine Kontrollen geben – ob eine solche Unterscheidung aber verfassungsrechtlich zulässig ist, ist unsicher.
Nachdem bereits Oberösterreich angekündigt hatte, planbare und nicht akut notwendige Operationen bald zu verschieben, will man auch in Wien in den nächsten Tagen mit Neuterminisierungen beginnen. In den übrigen Bundesländern sieht man bisher dafür noch keinen Bedarf.
Lockdown in Deutschland
In Deutschland haben die Bundesregierung und die 16 Bundesländer bis zum späten Mittwochabend über drastische Maßnahmen zur Eindämmung der zuletzt massiv gestiegenen Infektionszahlen verhandelt. Ab dem 2. November sollen sich maximal zehn Personen aus höchstens zwei Haushalten in der Öffentlichkeit treffen, sämtliche Gastronomiebetriebe mit Ausnahme von Lieferdiensten sollen bis Ende November schließen, Fitnesscenter und Kulturstätten wie Opern, Theater und Konzertsäle ebenso.
Die deutsche Bundesregierung verspricht sich von dem zeitlich beschränkten Lockdown eine deutliche Verlangsamung des Infektionsgeschehens. So will sie etwa verhindern, dass zu Weihnachten Kontaktbeschränkungen nötig sind, heißt es. Am Mittwoch gab es in Deutschland 14.964 neue Infektionen. (red)
In Frankreich herrschte zuletzt große Ratlosigkeit. Trotz nächtlicher Ausgangssperren, rigider Kontaktbeschränkungen und umfangreicher Hygieneregeln bekommt das Land die Corona-Pandemie nicht in den Griff. Die Zahl der registrierten Neuinfektionen pendelt seit Tagen zwischen 30.000 und mehr als 50.000. Der wissenschaftliche Rat der Regierung geht davon aus, dass es tatsächlich 100.000 Neuinfektionen täglich gibt, von denen aber viele unerkannt bleiben.
Zuletzt schockte die Zahl von mehr als 500 Todesfällen an einem Tag das Land. Die Behörden gaben allerdings zumindest in diesem Fall Entwarnung und erklärten, dass sie nach einer Pause von vier Tagen erstmals wieder Zahlen aus Altenheimen bekanntgegeben hätten. Tatsache aber ist, dass Frankreich mit inzwischen fast 36.000 Todesfällen zu den von der Pandemie am schwersten betroffenen Ländern Europas zählt.
„Brutalität“
Nach Einschätzungen des wissenschaftlichen Rats wird die aktuelle Corona-Welle „stärker sein als die erste“. Er sei von der „Brutalität“der Zunahme der Neuinfektionen in den vergangenen 15 Tagen überrascht, sagte Jean-François Delfraissy. Viele Ärzte plädierten zuletzt für einen Frankreich-weiten kompletten Lockdown. Angesichts dieser Entwicklung wurde am Mittwoch erwartet, dass Präsident Emmanuel Macron das öffentliche Leben noch weiter und sehr drastisch einschränken wird. Am Mittwochabend wollte sich der Präsident an seine Landsleute wenden.
Druck auf Spitäler
Sorge bereitet insbesondere der massive Druck auf die Krankenhäuser. Ohne verschärfte Maßnahmen dürften sie in zwei Wochen landesweit an ihre Belastungsgrenze stoßen, wie Teilnehmer nach einem Krisentreffen von Regierungschef Jean Castex mit den Sozialpartnern berichteten. Der Chef des Krankenhausverbands, Frédéric Valletoux, warnte vor „verheerenden“Folgen für die Kliniken, wenn die aktuelle Entwicklung nicht gestoppt werde. Knapp 60 Prozent der Betten in den Intensivstationen sind inzwischen mit Corona-Patienten belegt.
Angesichts dieser Zahlen ertragen die Franzosen die nächtlichen Ausgangssperren mit einer überraschenden Gelassenheit. Die Menschen dürfen seit knapp über einer Woche zwischen 21 Uhr und sechs Uhr morgens nur noch für die Arbeit und bei medizinischen Notfällen ihre Häuser verlassen. „Wir müssen strengere Maßnahmen ergreifen, um die Kontrolle wiederzuerlangen“, sagte Macron bei der Verkündung der neuerlichen Ausgangssperre in einem TV-Interview, das 20 Millionen Franzosen vor den Bildschirm bannte. Vor einigen Tagen nannte der Präsident die knapp 25.000 Neuinfektionen pro Tag „besorgniserregend“– inzwischen ist diese Zahl auf knapp das Doppelte gestiegen.