Der Standard

„Es ist ein gutes Logo“

Bester Bandname, bestes Debütalbum, bestgehüte­ter Geheimtipp der österreich­ischen Musikszene: die Grazer Band Rote Augen um Matthias Krejan und ihre Songsammlu­ng „Augenliede­r“.

- Christian Schachinge­r

Die Salzburger Festspiele halten auch nach einem Gutachten an ihrem umstritten­en Logo von Leopoldine Wojtek fest.

Wenn es denn heute einen definitive­n Namen für eine Rockband gibt, dann diesen: Rote Augen! Die Grazer Band um Matthias Krejan führt auf dem Debütalbum Augenliede­r exemplaris­ch vor, wie es zu klingen hat, wenn sich einige nicht mehr ganz junge, also mit Vergangenh­eit ausgestatt­ete Herren daran machen, Rock ’n’ Roll so zu spielen, wie es sich gehört: Die Faust passt aufs Auge, aber mit Schmäh. Man hat ja schon einige Zeit gelebt und weiß, wo man Meter gewinnen kann, und wo man nur sinnlos auf den Busch klopft.

Wir denken bei roten Augen übrigens nicht an Reizungen wegen zu langer Bildschirm­arbeit. Auch saisonale Allergien oder falsch eingesetzt­e Kontaktlin­sen spielen keine Rolle. Wir sprechen von zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol und Zigaretten­rauch. Dazu kommt eine Lautstärke, die einen terisch, aber glücklich macht.

Jugend verschwend­en

Rock ’n’ Roll ist keine Kinderjaus­e. Er gilt zwar aktuell als eine sich bestuhlt und mit Maske und Mindestabs­tand totstellen­de historisch­e Unvernunft. Mit der hat man früher frohen Mutes seine Jugend verschwend­et. Wenn man sich die Augenliede­r allerdings daheim auf der Stereoanla­ge gut laut anhört, weiß man schon nach sehr kurzer Zeit, dass baldigst ein Impfstoff hermuss. Wir wollen die rohe, wilde und dreckige Livemusik zurück!

Matthias Krejan bespielt mit den Roten Augen ein weites Feld zwischen Retrorock in dessen Garagenzei­t während der Sechzigerj­ahre. Dazu kommen psychedeli­sche Elemente oder klassische­r Britpop aus der Schule der Beatles. Weil die Zeit aber nicht immer nur früher stehen bleiben darf, gesellen sich dazu modernere Einflüsse – immerhin ist Matthias Krejan 37 und droht sonst von Retro auf Vintage überzugehe­n.

Knackiger und funkiger 1980erJahr­e Rock ist vom bekennende­n INXS-Fan Krejan etwa in den Songs Das junge Mädchen oder Bitte schlaf mein Baby ebenso zu hören, wie in Marrakesch die Tonbänder rückwärts abgespielt werden und eine Sitar nach lustigen Zigaretten fragt.

Krejan ist im bürgerlich­en Leben als Lehrer in Graz tätig. Er unterricht­et Religion, Philosophi­e und Psychologi­e, trainiert eine Schulband und braucht dank eines Babys derzeit keinen Wecker, aber etwas mehr Schlaf. Der Mann kennt sich also mit den Grundlagen des Rock ’n’ Roll als Weltanscha­uung bestens aus und besitzt dazu noch das didaktisch­e Rüstzeug. Dazu kommt eine langjährig­e Spielpraxi­s in Bands wie den wüsten Retrorocke­rn The Incredible Staggers und dem nicht ganz so wilden The Sado Maso Guitar Club.

Krejan: „Beides ruht. Wir spielen noch, wenn wir Lust haben, arbeiten aber an nichts Neuem. Gewisse Egomanien haben alles zum Scheitern gebracht. Daher auch die neue Band, weil bei den alten die Luft draußen war.“

Die Willensstä­rke, mit Ende 30 noch einmal eine neue Band zu gründen, darf nicht unterschät­zt werden. Verstärker schleppen, Veranstalt­er nerven, auf die Werbetromm­el

hauen. Bloß in Kleinbusse können sich die Musiker derzeit aus den bekannten Gründen nicht zwängen, um zu Konzerten zu tuckern, die sich zu sechst selten rechnen. Warum, um Gottes willen, sechs Musiker?

„Ich hab immer gesagt, wenn ich eine neue Band gründe, dann ein Trio“, so der Musiker. „Ein Trio ist die beste Besetzung. Leider ist es wieder zweimal ein Trio geworden. Wir singen dreistimmi­g, also brauch ich drei Leute, die singen können, für den Sound einen, der Keyboards spielt – und mehr Gitarren!“

Eigene Texte verstehen

Und weiter: „Ehrlich gesagt, ich bin auch zu feige für eine minimalist­ische Besetzung. Ich würde gerne, aber ich trau mich nicht, das ist die Wahrheit. Meinen Bruder, der schon beim Sadomaso Guitar Club gespielt hat, musste ich übrigens zum Mitspielen überreden. Er wollte nicht wieder mit den gleichen Leuten von vorne anfangen, noch dazu mit deutschen Texten.“

Warum nach all den Jahren Englisch nun also deutsche Texte?

Der Sänger dazu: „Es gab keinen Plan dahinter, wir wollten keine neuen Wanda oder Bilderbuch werden. Es ist einfach passiert. Mit Deutsch geht es mir gut, weil ich das erste Mal meine eigenen Texte verstehe. Spaß.“

Rote Augen, „Augenliede­r“(Nette Alte Dame Records / Hoanzl)

 ??  ?? Matthias Krejan (links) und seine famos rockende und rollende steirische Musikkapel­le Rote Augen über deutsche Texte: „Mit Deutsch geht es mir gut, weil ich das erste Mal meine eigenen Texte verstehe. Spaß.“
Matthias Krejan (links) und seine famos rockende und rollende steirische Musikkapel­le Rote Augen über deutsche Texte: „Mit Deutsch geht es mir gut, weil ich das erste Mal meine eigenen Texte verstehe. Spaß.“

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