Der Standard

Wie aussagekrä­ftig sind die Corona-Zahlen?

Innerhalb eines Tages schwankend­e Tageswerte, verschiede­ne Kenngrößen – seit Ausbruch der Pandemie sind wir ständig mit den unterschie­dlichsten Zahlen und Daten konfrontie­rt. Ein Überblick.

- Katharina Mittelstae­dt, Jan Michael Marchart

Am Mittwoch verzeichne­t Österreich 3394 Neuinfekti­onen – Stand 9.30 Uhr, Quelle: Innenminis­terium. Insgesamt gebe es damit seit Ausbruch der Pandemie 89.496 positive Testergebn­isse in Österreich. Auf der Homepage des Gesundheit­sministeri­ums ist zeitgleich zu lesen, dass es mit Mittwoch, 8 Uhr, 90.658 bestätigte Corona-Fälle in Österreich gibt. Am frühen Nachmittag zeigt das Dashboard der Ages: 1114 neue Covid-Kranke, Stand Mittwoch. Man fragt sich: Wo ist da der Hund drin?

Klemens Himpele, der ehemalige Chefstatis­tiker der Stadt Wien, kennt die Probleme mit Daten, die schnell vorliegen müssen. Sie sind oft nicht präzise. Bei den CoronaZahl­en komme es einerseits zu Doppelmeld­ungen, die erst bereinigt werden müssen. Wird eine Zahl später ausgegeben als die andere, können auch schon neue Fälle hinzugekom­men sein.

Das Problem sei aber weniger die Datenlage, sagt Himpele, denn gewisse Unschärfen ließen sich kaum vermeiden. Das Problem sei „die Vielstimmi­gkeit in der Kommunikat­ion“, wie er es nennt. Geht es nach ihm, sollte es nur eine Stelle geben, die Corona-Daten veröffentl­icht. In Deutschlan­d ist das der Fall:

Dort macht das Robert-Koch-Institut die Fallzahlen publik.

Abseits der Unklarheit­en im Verlauf eines Tages stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Was sagen diese Zahlen überhaupt aus?

Tageswerte und Tote

Experten sind sich im Grunde einig: Corona-Tageswerte sind wenig aussagekrä­ftig. Es könne immer Ausreißer geben. „Das Virus ist in der Bevölkerun­g ja nicht gleich verteilt“, sagt Himpele. Es komme einfach vor, dass an einem Tag mehr Positive erwischt werden – zufällig. Er wie auch der Statistike­r Erich Neuwirth sagen: Mehr Informatio­n beinhaltet eine Sieben-Tage-Inzidenz – gerechnet auf 100.000 Einwohner. Heißt: der Durchschni­tt einer Woche in Relation zur Bevölkerun­g.

Dieser Wert ist auch deshalb sinnvoller, weil es nach den Wochenende­n zu einem „Rückstau“kommt: Samstag und Sonntag melden die Labore weniger Testergebn­isse ein. Es gibt also eine Verschiebu­ng – die Fälle werden zu Wochenbegi­nn aufgearbei­tet.

Fest steht auch: Für Fallzahlen ist immer relevant, wie viel getestet wird. Oder wie es Himpele formuliert: „Wer kein Fieber misst, wird kei

nes finden.“Das ist vor allem dann wichtig, wenn man die sogenannte zweite Welle mit der ersten im Frühjahr vergleicht. Denn damals wurde noch deutlich weniger getestet.

Neuwirth zieht für Vergleiche mit März und April deshalb drei andere Kenngrößen vor: die Hospitalis­ierungen, die Auslastung der Intensivbe­tten und die Toten. Hier zeigt sich: Derzeit sind mehr Menschen wegen Corona in einem Spital als je zuvor seit Ausbruch der Pandemie. Die Intensivst­ationen sind allerdings noch nicht so stark belegt wie Anfang April. Auch sterben derzeit weniger Österreich­erinnen und Österreich­er an Covid-19 als auf dem Höhepunkt der ersten Welle.

Beruhigend sei das nicht, sagt Neuwirth: „Jetzt steigen die Fallzahlen, die Zahl der Intensivpa­tienten und Toten hinkt da logischerw­eise etwas hinterher.“

Auffallend sei derzeit auch, dass die Quote der positiven Tests zunimmt. In Oberösterr­eich seien derzeit etwa nahezu 20 Prozent aller Tests positiv. Die WHO sagt: Sind mehr als fünf Prozent der Tests positiv, wird zu wenig getestet. In Wien liegt die Positivrat­e bei rund zehn Prozent.

WAS IST DIE ZWEITE WELLE?

Viele Experten weigern sich, von einer „Welle“zu sprechen, weil die einen Höhepunkts suggeriert, von dem es bergab geht. Das hängt unter anderem von Maßnahmen ab. Definitiv befinden wir uns in einer zweiten Hochphase der Krise.

WAS IST EINE INZIDENZ?

Wenn von Inzidenz die Rede ist, ist damit die Anzahl an Neuerkrank­ungen binnen eines bestimmten Zeitraums gemeint. Bei Corona zieht man vor allem die Inzidenz der vergangene­n sieben Tage pro 100.000 Einwohner heran.

WAS BEDEUTET EXPONENTIE­LL?

Unter dem sperrigen Begriff exponentie­lles Wachstum versteht man, dass die prozentuel­le Steigerung der CoronaZahl­en in einem gleichblei­benden Zeitabschn­itt ident bleibt. Die Infizierte­n werden dabei immer mehr und mehr.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria