Der Standard

Ein letztes Mal Babyschwim­men im Dianabad

An diesem Wochenende ist Schluss: Das Wiener Dianabad im zweiten Bezirk sperrt zu. Damit verliert die Stadt ein beliebtes Angebot für Babys und Kleinkinde­r. Viele Alternativ­en gibt es nicht.

- Lara Hagen

Als Erstes schlägt einem im Dianabad die Wärme entgegen. Zusammen mit der hohen Luftfeucht­igkeit vermittelt auch die Ausstattun­g des Spaßbads Tropen-Feeling: Palmen und andere exotische Pflanzen (freilich aus Plastik) stehen herum, die Stahlsäule­n sind mit bunten Fischen dekoriert, über der Rutsche thront ein glatzköpfi­ger Pirat. Der Bademeiste­r sitzt in einer Hütte mit Strohdach, darunter hängt eine Totenkopf-Fahne. Abenteuer liegt in der Luft, Kinderlach­en ist der Soundtrack hier, ab und zu schreit ein Baby. Der graue Wiener Herbst ist für ein paar Stunden vergessen.

Damit ist übermorgen Schluss, mit 31. Oktober schließt das Bad in der Leopoldsta­dt. 20 Jahre lang wurde es von Raiffeisen und Uniqa betrieben – das war Ende der 1990er die Bedingung der Stadt, als sie den Umbau des Bades mit rund 14,5 Millionen Euro förderte.

Valeria Zarick hält die Schließung für eine „Katastroph­e“. Sie steht am Beckenrand und schüttelt den Kopf. Soeben hat sie einen Babyschwim­mkurs abgehalten – den letzten im Dianabad. „Das ist das letzte innerstädt­ische

Bad für Familien mit kleineren Kindern. Und es ist unglaublic­h beliebt“, ruft sie und schwenkt mit den Armen durch den Raum. Am Nachmittag sei hier einiges los. Und am Vormittag erst recht. „Die Schwimmkur­se sind pumpevoll.“

Einen solchen haben Katharina Gotsmy und Dorothea Kulka-Kudoke mit ihren Babys hinter sich. Der Kurs ist zwar schon aus, aber die Mamas bleiben mit den Kleinen noch im Wasser und quatschen. Beide Mütter haben als Kinder eher negative Erfahrunge­n mit Bädern gemacht. „Bei mir ist das noch immer unter dieser Schulerfah­rung mit Badehaube abgespeich­ert“, sagt Gotsmy. Ihr fünfmonati­ger Sohn Albert gluckst währenddes­sen fröhlich vor sich hin. Ihm wollte Gotsmy von Beginn an eine schönere Erfahrung ermögliche­n. „Ich bin total überzeugt von diesem Angebot. Es macht ihm Spaß und auch mir.“Dorothea Kulka-Kudoke nickt und lächelt neben ihr im Wasser: „Bei mir ist es sogar noch ärger. Ich kann nicht mal schwimmen.“Noah, ihr kleiner Sohn, habe sich jetzt schon gut ans Wasser gewöhnt.

Was Babys im Wasser lernen

Dass das Bad nun schließt, finden beide Frauen traurig: „Das Dianabad liegt zentral in der Innenstadt. Außerdem sind hier alle freundlich, und es gibt ein großes Angebot für Kinder“, sagt Gotsmy. Trotzdem: Beide Mamas sind motiviert, auch weiterhin Babyschwim­mkurse zu besuchen.

Dorit Arndt freut das zwar, sie glaubt aber nicht, dass viele sich die Mühe antun. „Leider, leider“, sagt sie. Arndt organisier­t die Babyschwim­mkurse im Dianabad seit knapp zehn Jahren. „Die Leute werden nicht ausweichen, wenn es weiter entfernt und teurer ist.“Sie bietet auch noch im orthopädis­chen Spital in Speising Babyschwim­mkurse an, dort allerdings mit deutlich weniger Terminen. Neben Arndts „Seepferdch­en“gibt es natürlich noch andere Anbieter von Babyschwim­mkursen in Wien. Das Dianabad war aber eines der gefragtest­en Bäder für Eltern-Kind-Kurse. Nicht nur Arndt, auch ihre Tochter sei wegen der Schließung betroffen. Die habe im Dianabad schwimmen gelernt „und quasi ihre Kindheit hier verbracht“.

So geht es einigen: Circa 600 Babys und Kleinkinde­r waren wöchentlic­h im Dianabad in Schwimmkur­sen – zuletzt durch die Corona-Maßnahmen weniger.

Ertrinken ist die häufigste tödliche Unfallursa­che bei Kindern bis fünf Jahre, die zweithäufi­gste bei älteren Kindern, merkt Arndt an. „Das ist kein Planschkur­s, was wir hier machen. Es geht für die Kinder darum, Selbstbewu­sstsein im Wasser zu entwickeln.“

Tatsächlic­h lernen auch schon die Jüngsten, wie und wo man sich retten bzw. Halt finden kann: Einige Mamas und ein Papa stehen mit ihren Kindern im Wasser, ihre Babys schieben sie ein paar Schritte lang zum Beckenrand und halten sie dafür auf dem Bauch. Dort angekommen legen sie die Hand ihrer Kinder an den Rand. Nach wenigen Einheiten greifen die Kinder schon selbststän­dig hin, sagt Schwimmtra­inerin Zarick.

„Ich habe von diesen Kursen gelebt – und versuche es auch weiterhin“, bleibt sie optimistis­ch. 25 bis 30 Kurse hat sie bislang pro Woche gegeben. Sie kam – wie viele andere Schwimmtra­iner auch – in der Karenz zu dem Beruf. Weil ihr der Kurs mit dem eigenen Nachwuchs so gefallen hat, machte sie kurzerhand die einjährige Ausbildung. „Zu sehen, wie sich die Kleinen entwickeln, was sie alles können, das macht mir unheimlich­e Freude.“

So geht es auch Clemens Lechner, der ebenfalls am Beckenrand steht. Ein paar Minuten vorher war er noch mit seiner Kamera im Wasser. Lechner lichtet alle Babys und Kinder unter Wasser ab – wenn die Eltern das möchten. Und das seit 15 Jahren im Dianabad. „Davor haben das die Schwimmtra­iner selbst mit Wegwerfkam­eras gemacht.“

Stille kehrt ein

Den Fotografen regt die Schließung auf. „Für mich ist es nicht verständli­ch, dass die Stadt sich hier nicht einschalte­t.“Dort interessie­re man sich nur für Sportbäder. „Aber als Familie komme ich hierher und nicht ins Sportbad.“

Tatsächlic­h sorgten erste Berichte über die Schließung für zahlreiche Reaktionen – auch den STANDARD erreichten einige Mails. Im Gemeindera­t landete sogar eine Petition, in der die Stadt aufgeforde­rt wurde, das Bad zu übernehmen. Schon im Frühjahr 2019 wurde das gegenüber der Betriebsge­sellschaft aber definitiv verneint. Eine Übernahme sei „nie beabsichti­gt“gewesen, hieß es von der zuständige­n MA 44. Wien hätte zu viel Geld in notwendige Sanierungs­arbeiten, Miete und den laufenden Betrieb stecken müssen.

Was ab übermorgen mit der Liegenscha­ft passiert, ob das Gebäude final abgerissen wird, ist laut Betriebsge­sellschaft noch unklar. Fix ist: Das Wasser wird aus den Becken gelassen – und irgendwann verschwind­en dann auch die Palmen, Piraten und Badeliegen. Statt Abenteuern und Kinderrufe­n herrscht dann nur noch Stille.

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Im Dianabad gab es auch Becken für die ganz jungen Besucher – inklusive Dino-Rutsche.
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An zwei Vormittage­n fanden im Dianabad Schwimmkur­se für Babys statt. Dass Eltern nun auf andere Bäder ausweichen, glaubt Dorit Arndt, die Organisato­rin, nicht. „Leider“, wie sie sagt.
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