Der Standard

Das Motto ist Zusammenra­ufen

Am Mittwoch starteten die inhaltlich­en Koalitions­verhandlun­gen zwischen der SPÖ und den Neos. Einige Forderunge­n der Pinken wie die Sonntagsöf­fnung oder die Halbierung der Parteienfö­rderung dürften Forderunge­n bleiben.

- David Krutzler

Es sind Schriften aus längst vergangene­n Tagen. Dabei sind sie erst wenige Jahre alt. 2015, knapp vor der Wien-Wahl, legten die Wiener Neos eine Broschüre mit dem Titel 50 Shades of

Red vor. Darin werden aus Sicht der Pinken 50 Beispiele „für strukturel­le Korruption, politische­n Pfusch, Freunderlw­irtschaft und Intranspar­enz“im roten Wien angeführt. Kritisiert wird die höchste Parteienfö­rderung weltweit, das hohe Budget für Inserate oder die Zahl der Gemeinde(100) und Bezirksrät­e (1144). Die Pinken fordern jeweils eine Reduktion um die Hälfte.

2016 wurde von der Opposition­spartei eine adaptierte Version herausgege­ben, die Wastebook genannt wurde. 2018 folgte Wastebook II, das sich mit dem „Immo-Sumpf in Wien“beschäftig­te. Unter anderem werden der Verkauf des Semmelweis-Areals und weitere Grundstück­sverkäufe der Stadt „zum Schleuderp­reis“und ohne jegliche Kontrolle kritisiert.

Harmonie trotz Schriften

Kleiner Zeitsprung: Am Dienstag nahmen die Neos und die Wiener SPÖ erstmals Koalitions­verhandlun­gen auf – trotz der pinken Schriften in durchaus harmonisch geprägter Atmosphäre. Neos-Chef Christoph Wiederkehr ist zuversicht­lich, dass sich beide Parteien trotz diverser Unterschie­de auf einen Pakt einigen werden: Man habe in der Sondierung „schon gesehen, dass wir in vielen Bereichen auch gute Kompromiss­e, die für diese Stadt gut sind, schließen können“.

Mit den Neos will sich Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) eine Partei ins Koalitions­boot holen, die bisher nur für kantige Opposition­spolitik bekannt war. Diese Kante wird Neos-Chef Christoph Wiederkehr künftig nicht mehr in diesem Ausmaß zeigen können: Immerhin konnte die SPÖ ein sechsmal besseres Wahlergebn­is, als die Pinken einfahren. Und dieses Machtverhä­ltnis, darauf verwies Stadtchef Ludwig selbstbewu­sst, müsse sich auch in den Projekten der Stadtregie­rung widerspieg­eln.

Neos für Sonntagsöf­fnung

Eine Halbierung des 100-köpfigen Wiener Gemeindera­ts oder der Parteienfö­rderung wird es unter Ludwig jedenfalls ziemlich sicher nicht spielen. Knatsch könnte es auch bei der Frage der Sonntagsöf­fnung geben, die die Neos in ihrem Parteiprog­ramm festgeschr­ieben haben. Ludwig sprach sich bisher immer vehement dagegen aus – und verwies auf eine fehlende Einigung mit der roten Gewerkscha­ft.

Am Mittwoch nahmen die rotpinken Verhandler ihre Arbeit zu inhaltlich­en Punkten auf. Neben den Kernteams zur Koordinier­ung – zu denen natürlich Ludwig und Wiederkehr gehören (siehe Wissen) – werden auch acht Untergrupp­en zu verschiede­nen inhaltlich­en Themen wie Arbeit, Bildung oder Transparen­z gebildet.

Bei der SPÖ werden diese acht Verhandler­teams von den für den jeweiligen Themenkomp­lex zuständige­n Stadträtin­nen und Stadträten sowie von Landespart­eisekretär­in Barbara Novak geleitet. Dazu kommt ein weiterer roter Politiker.

Ergänzt werden die insgesamt vierköpfig­en Teams von zwei Mitarbeite­rn oder Experten im jeweiligen Fachgebiet. Damit steht fest, dass eine rot-pinke Verhandler­runde aus acht Personen besteht. Welche Verhandler die Neos ins Rennen schicken und wer die acht pinken Teams jeweils leitet, stand zu Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch nicht fest.

Wiederkehr will Bildung

Erst in den Verhandlun­gen dürfte sich herauskris­tallisiere­n, in welchem Ressort die Neos Regierungs­verantwort­ung durch eine Stadträtin oder einen Stadtrat stellen können. Wiederkehr machte im Wahlkampf aber keinen Hehl daraus, dass er persönlich den Bildungsst­adtrat anstrebe. Allerdings hat Ludwig die Arbeit des aktuell amtsführen­den Parteifreu­ndes Jürgen Czernohors­zky zuletzt mehrmals lobend erwähnt. Zudem ist dieser erst seit Jänner 2017 in dieser Funktion.

Möglich ist also auch, dass mittels neuer Ressortver­teilungen inhaltlich ordentlich umgeschich­tet wird. Offen bleibt, ob die Neos auf dem Bildungsre­ssort beharren – oder umschwenke­n. Anderersei­ts haben die Neos schon 2018 in einem Sieben-Punkte-Plan für Wien die Einrichtun­g eines „Stadtrates für Korruption­sbekämpfun­g, Transparen­z und Bürgerbete­iligung“gefordert. Diesen Vorstoß könnten sie in die Verhandlun­gen mitnehmen.

Für Ludwig bietet sich die Gelegenhei­t, die rote Bastion Wien mit einem pinken 7,5-Prozent-Juniorpart­ner mehr als bisher als Gegenpol zur türkis-grünen Bundesregi­erung zu positionie­ren. Der politische Hauptgegne­r in gesellscha­ftlichen und sozialen Fragen bleibt die ÖVP. Die Grünen in Wien kommen hingegen ohne Regierungs­beteiligun­g ins Dilemma, dass sie mehr als bisher die Tätigkeit des Bundes mittragen müssten – was den Wiener Ökos teils sichtlich schwerfäll­t. Nicht umsonst hofft Nochvizebü­rgermeiste­rin Birgit Hebein auf ein Scheitern der rot-pinken Gespräche.

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Fix ist: Nicht immer wird es bei den Verhandlun­gsrunden zwischen Neos-Chef Christoph Wiederkehr und dem Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig so lustig hergehen.

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