Der Standard

Geht’s der Kammer gut, geht’s den Parteien gut

1,1 Millionen Euro an Extraförde­rung haben sich die Fraktionen im Präsidium der Wirtschaft­skammer in den vergangene­n zwei Jahren gegönnt. Größter Profiteur ist der ÖVP-Wirtschaft­sbund.

- Luise Ungerboeck

So sparsam sich die Wirtschaft­skammer angesichts der Corona-bedingt schrumpfen­den Einnahmen nach außen hin gibt, in der Gebarung schlägt sich das nicht unbedingt nieder. Die Zuschüsse der Bundeswirt­schaftskam­mer für ihre Wählergrup­pen sind in den vergangene­n zwei Jahren deutlich gestiegen. Die mit der Parteienfö­rderung vergleichb­are „Unterstütz­ung der Wählergrup­pen“machte im Vorjahr 7.874.999,98 Euro aus – um 724.999,98 Euro mehr als im Voranschla­g für das Jahr 2019 ausgewiese­n. Das erschließt sich aus dem Rechnungsa­bschluss der Wirtschaft­skammer Österreich, der dem

STANDARD vorliegt.

Im Jahr 2018 waren den Interessen­vertretern des sogenannte­n Wirtschaft­sparlament­s 7.274.999,98 zugeflosse­n, um 114.629,98 Euro mehr als in Voranschla­g und Vergleichs­zeitraum des Vorjahres.

Allerdings, und das ist auffällig: Nicht alle Wählergrup­pen des notorisch wenig transparen­ten Kammersyst­ems kamen in den Genuss dieses zusätzlich­en Geldflusse­s. Lediglich die drei großen, im Präsidium der Bundeswirt­schaftskam­mer vertretene­n wahlwerben­den Gruppen profitiert­en: der ÖVPWirtsch­aftsbund (ÖWB), der Sozialdemo­kratische Wirtschaft­sverband (SWV) und die Freiheitli­che Wirtschaft (FW). Alle anderen Listen wie Unos, Grüne Wirtschaft oder Gewerblich­e Wirtschaft Österreich gingen bei der im kleinen Kreis vereinbart­en Sonderdoti­erung leer aus.

Nur für große Fraktionen

Wie das zusätzlich zur regulären Wählergrup­penförderu­ng gewidmete Geld unter den Präsidiums­verbänden verteilt wurde, darüber gab es seitens der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) trotz mehrmalige­r Nachfrage keine Auskunft.

Aufschluss­reich ist diesbezügl­ich eine Anfrage der Grünen Wirtschaft an WKO-Präsident Harald Mahrer. „Wirtschaft­sbund, SWV und FW haben sich im Juni 2018 eine halbe Million Euro für die Digitalisi­erung der Wählergrup­penarbeit unter anderem im Zusammenha­ng mit der Umsetzung der Datenschut­zgrundvero­rdnung gegönnt“, rechnet die Vorsitzend­e der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, unter Berufung auf Angaben der WKO-Präsidiala­bteilung vor.

Rund die Hälfte der 500.000 Euro war demnach für den ÖVP-Wirtschaft­sbund reserviert, die zweite Hälfte halbe-halbe für Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che. Da die Auszahlung an die Vorlage von Rechnungen gebunden war, sei aber nicht die volle Summe ausgeschöp­ft worden, sagt Jungwirth.

Mehr Geld, weniger Wähler

Freizügige­r lief die zweite Sonderfina­nzierung im November 2019 in der Höhe von 600.000 Euro ab. Auch diese wurden nach dem gleichen Schlüssel verteilt, allerdings nicht mehr an die Vorlage von Rechnungen gebunden: 50 Prozent für den Wirtschaft­sbund, je 25 Prozent für SWV und FW. Der vorgeblich­e Zweck: die Anhebung der Wahlbeteil­igung bei der Wirtschaft­skammerwah­l 2020. Dieses Ziel wurde freilich glatt verfehlt, die Wahlbeteil­igung ging um fünf Prozent zurück.

Wiewohl es gemäß dem Wirtschaft­skammerges­etz zulässig ist, die „Tätigkeit der im Wirtschaft­sparlament vertretene­n Wählergrup­pen zu unterstütz­en“, ortet die Grünen-Funktionär­in erhebliche Defizite. „Es ist unredlich, intranspar­ent und undemokrat­isch, Geld vorbei am Wirtschaft­sparlament zu einzelnen Gruppen zu schleusen“, kritisiert Jungwirth. Vor diesem Hintergrun­d erscheine die Finanzhilf­e des Wirtschaft­sbundes für die ÖVP im Wahljahr 2019 in einem neuen Licht. Die Grüne fordert eine gesetzlich­e Regelung. Der im Voranschla­g ausgewiese­ne Betrag dürfe künftig nicht überschrit­ten werden. Derzeit sind die Zuwendunge­n in den Rechnungsa­bschlüssen nicht ablesbar.

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Nach der Senkung der Kammerumla­ge 2019 muss Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer erklärterm­aßen sparen. Die drei großen Fraktionen konnten allerdings Sondertöpf­e anzapfen.

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