Schlammschlacht im Tunnelschacht
Die Tunnelgesellschaft kündigt den Vertrag mit dem Baukonsortium rund um den Baukonzern Porr auf. Es geht um das Baulos Pfons–Brenner im Wert von 966 Millionen Euro. Es droht abermals eine massive Bauverzögerung.
Zwar kommt die Baubranche verhältnismäßig glimpflich durch die Krise, einen Auftrag in der Höhe von fast einer Milliarde Euro zu verlieren ist für eine Baufirma aber zu jeder Zeit ein schwerer Schlag. Das Baukonsortium Arge H51 rund um den heimischen Baukonzern Porr hätte den größten Bauabschnitt auf österreichischem Gebiet für den Brenner-Basistunnel errichten sollen. Die Errichtergesellschaft BBT SE gab am Mittwoch allerdings bekannt, den Vertrag aufzulösen. Insidern zufolge könnte der zuletzt avisierte Fertigstellungstermin 2030 nun wackeln.
Die vergangenen Monate waren von grundlegenden Differenzen geprägt. Gestritten wurde um falsch konstruierte Außenringe des Tunnelschachts – sogenannte Tübbinge. Der Porr zufolge wurden die technischen Anforderungen dafür schon bei der Ausschreibung falsch projektiert. Die Sachlage sei einseitig und sehr vereinfacht dargestellt und nur auf das Thema Tübbinge beschränkt worden, hieß es wiederum bei der Tunnelgesellschaft.
Wie geht es weiter mit dem 960Millionen-Euro-Auftrag? Der Vorstandsvorsitzende der Porr AG, KarlHeinz Strauss, geht davon aus, dass die „Vertragsauflösung eindeutig rechtswidrig und selbst bei Neuvergabe weiterhin aufrecht“sei.
Schaden für Steuerzahler
Strauss kündigte rechtliche Schritte gegen die BBT SE an, macht sich aber wenig Sorgen. „Wir bekommen Investitionen ersetzt und haben Anspruch auf Gewinnentgang.“Den wahren Schaden sehe er bei den Steuerzahlern, da sich alles lange verzögern werde. Baustart für das Los war im Spätherbst 2018, die Bauzeit wurde mit 74 Monaten veranschlagt. 160 Millionen Euro sind bereits in das Teilstück geflossen.
Tiefe Gräben zwischen Bauherr und Auftragnehmer, und beide geben sich gegenseitig die Schuld. „Die BBT SE hat in der Ausschreibung
Fehler gemacht und versucht das nun auf den Auftragnehmer abzuwälzen“, meint Strauss. „Die ausgeschriebenen 40-Zentimeter-Tübbinge hätten die Sicherheit des Tunnels gefährdet.“Die Arge argumentiert weiters, dass auf italienischer Seite Tübbinge mit einer Stärke von 45 Zentimetern, aber mit geringeren Traglasten gebaut würden.
Das Konsortium hätte einen stärkeren Tübbing anbieten sollen, die Kritik sei erst nach Auftragsvergabe gekommen, kontert die BBT. Mehrfach angebotene Lösungen seien nicht angenommen worden, was zu
Verzögerungen geführt habe. Die Tunnelbaugesellschaft wollte keine Einzelheiten über die verschiedenen Rechtsstandpunkte der Vertragspartner mit Ausnahme des TübbingSystems öffentlich machen.
Porr-Chef Strauss verweist mit seiner Argumentation auf ein Rechtsgutachten des Universitätsprofessors Andreas Kletečka, der vor doppelten Kosten warnt. „Bei einer rechtswidrigen Auflösung müsste die BBT den Vertrag mit der Arge und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragnehmer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentgang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsbereitschaft der gesamten Arge-Belegschaft und der Arge-Technik zu bezahlen.“
1986 wurde mit den Planungen begonnen, 2016 sollten die Tunnelarbeiten in Österreich und Italien ursprünglich fertiggestellt werden, zwischenzeitlich war von 2027 die Rede, nun wackelt 2030. Die Verzögerungen gehen ins Geld. Waren ursprünglich Baukosten in der Höhe von sechs Milliarden Euro eingeplant, dürften es nun mindestens zehn Milliarden Euro sein.