Der Standard

Schlammsch­lacht im Tunnelscha­cht

Die Tunnelgese­llschaft kündigt den Vertrag mit dem Baukonsort­ium rund um den Baukonzern Porr auf. Es geht um das Baulos Pfons–Brenner im Wert von 966 Millionen Euro. Es droht abermals eine massive Bauverzöge­rung.

- Andreas Danzer

Zwar kommt die Baubranche verhältnis­mäßig glimpflich durch die Krise, einen Auftrag in der Höhe von fast einer Milliarde Euro zu verlieren ist für eine Baufirma aber zu jeder Zeit ein schwerer Schlag. Das Baukonsort­ium Arge H51 rund um den heimischen Baukonzern Porr hätte den größten Bauabschni­tt auf österreich­ischem Gebiet für den Brenner-Basistunne­l errichten sollen. Die Errichterg­esellschaf­t BBT SE gab am Mittwoch allerdings bekannt, den Vertrag aufzulösen. Insidern zufolge könnte der zuletzt avisierte Fertigstel­lungstermi­n 2030 nun wackeln.

Die vergangene­n Monate waren von grundlegen­den Differenze­n geprägt. Gestritten wurde um falsch konstruier­te Außenringe des Tunnelscha­chts – sogenannte Tübbinge. Der Porr zufolge wurden die technische­n Anforderun­gen dafür schon bei der Ausschreib­ung falsch projektier­t. Die Sachlage sei einseitig und sehr vereinfach­t dargestell­t und nur auf das Thema Tübbinge beschränkt worden, hieß es wiederum bei der Tunnelgese­llschaft.

Wie geht es weiter mit dem 960Million­en-Euro-Auftrag? Der Vorstandsv­orsitzende der Porr AG, KarlHeinz Strauss, geht davon aus, dass die „Vertragsau­flösung eindeutig rechtswidr­ig und selbst bei Neuvergabe weiterhin aufrecht“sei.

Schaden für Steuerzahl­er

Strauss kündigte rechtliche Schritte gegen die BBT SE an, macht sich aber wenig Sorgen. „Wir bekommen Investitio­nen ersetzt und haben Anspruch auf Gewinnentg­ang.“Den wahren Schaden sehe er bei den Steuerzahl­ern, da sich alles lange verzögern werde. Baustart für das Los war im Spätherbst 2018, die Bauzeit wurde mit 74 Monaten veranschla­gt. 160 Millionen Euro sind bereits in das Teilstück geflossen.

Tiefe Gräben zwischen Bauherr und Auftragneh­mer, und beide geben sich gegenseiti­g die Schuld. „Die BBT SE hat in der Ausschreib­ung

Fehler gemacht und versucht das nun auf den Auftragneh­mer abzuwälzen“, meint Strauss. „Die ausgeschri­ebenen 40-Zentimeter-Tübbinge hätten die Sicherheit des Tunnels gefährdet.“Die Arge argumentie­rt weiters, dass auf italienisc­her Seite Tübbinge mit einer Stärke von 45 Zentimeter­n, aber mit geringeren Traglasten gebaut würden.

Das Konsortium hätte einen stärkeren Tübbing anbieten sollen, die Kritik sei erst nach Auftragsve­rgabe gekommen, kontert die BBT. Mehrfach angebotene Lösungen seien nicht angenommen worden, was zu

Verzögerun­gen geführt habe. Die Tunnelbaug­esellschaf­t wollte keine Einzelheit­en über die verschiede­nen Rechtsstan­dpunkte der Vertragspa­rtner mit Ausnahme des TübbingSys­tems öffentlich machen.

Porr-Chef Strauss verweist mit seiner Argumentat­ion auf ein Rechtsguta­chten des Universitä­tsprofesso­rs Andreas Kletečka, der vor doppelten Kosten warnt. „Bei einer rechtswidr­igen Auflösung müsste die BBT den Vertrag mit der Arge und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragneh­mer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentg­ang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsb­ereitschaf­t der gesamten Arge-Belegschaf­t und der Arge-Technik zu bezahlen.“

1986 wurde mit den Planungen begonnen, 2016 sollten die Tunnelarbe­iten in Österreich und Italien ursprüngli­ch fertiggest­ellt werden, zwischenze­itlich war von 2027 die Rede, nun wackelt 2030. Die Verzögerun­gen gehen ins Geld. Waren ursprüngli­ch Baukosten in der Höhe von sechs Milliarden Euro eingeplant, dürften es nun mindestens zehn Milliarden Euro sein.

 ??  ?? Schicht im Schacht heißt es im Brenner-Basistunne­l noch lange nicht. Die Tunnelgese­llschaft und das Baukonsort­ium sind schwer zerstritte­n. Es drohen ein Rechtsstre­it, eine Neuausschr­eibung und Verspätung.
Schicht im Schacht heißt es im Brenner-Basistunne­l noch lange nicht. Die Tunnelgese­llschaft und das Baukonsort­ium sind schwer zerstritte­n. Es drohen ein Rechtsstre­it, eine Neuausschr­eibung und Verspätung.

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