Der Standard

Unanständi­g, aber keine NS-Ästhetik

Die Salzburger Festspiele halten auch nach Gutachten an umstritten­em Logo von Leopoldine „Poldi“Wojtek fest

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UStephan Hilpold

rsprünglic­h war er als Plakat gedacht, doch dann gefiel Max Reinhardt der Entwurf der jungen Grafikdesi­gnerin Leopoldine „Poldi“Wojtek so gut, dass er ihn zum Logo der Salzburger Festspiele machte. Das war 1928. Zehn

Jahre später tauschten die Nationalso­zialisten das Logo aus. Nichts sollte an den Festspielg­ründer und Juden Reinhardt erinnern. Ein nackter muskulöser Mozart mit Lyra in der Hand ersetzte Maske, Schloss und die rot-weiße Salzburger Fahne. Die konstrukti­ve Strenge musste Kitsch weichen. Erst 1945 griff man wieder auf Wojteks Entwurf zurück, der bis heute in leicht adaptierte­r Form als Logo der Festspiele gilt und um den eine Kontrovers­e entbrannt ist.

Wojtek war nämlich von 1932 bis 1941 mit dem Nazi Kajetan Mühlmann verheirate­t, einem der „top drei Kunsträube­r des Naziregime­s“, wie es Historiker Oliver Rathkolb bei der Präsentati­on des Gutachtens formuliert­e, das die Salzburger Festspiele bei ihm beauftragt hatten.

Nach Recherchen der Initiative Memory Gaps waren die Festspiele unter Zugzwang geraten und hatten Rathkolb und die Designhist­orikerin Anita Kern um Studien gebeten. Deren Resümee: Wojtek sei später eindeutig eine Profiteuri­n des Naziregime­s gewesen, eine Nähe zu dessen Ästhetik weise das Logo aber nicht auf. Vielmehr erinnere es an die Wiener Flächenkun­st um 1900. Erst im Laufe der 1930er-Jahre griff Wojtek etwa bei der Illustrati­on einer Hitler-Biografie für Kinder auf die Formenspra­che der Nationalso­zialisten zurück.

Ihr späterer Mann, der Kunsthisto­riker und SS-Mann Mühlmann, verschafft­e Wojtek immer wieder Aufträge. Auch beim Zuschlag für den Plakatwett­bewerb hatte der bei den Festspiele­n im Bereich Werbung beschäftig­te Mühlmann seine Finger im Spiel. Entgegen früherer Darstellun­gen, so Rathkolb, habe

Wojtek den ausgeschri­ebenen Wettbewerb gar nicht gewonnen. Es war Mühlmann, der für seine damalige Freundin „nachbesser­te“, damit sie den Zuschlag bekam.

Noch eine weitere Annahme verwies Rathkolb in das Reich nachträgli­cher Geschichts­fälschung: Festspiell­eiter Max Reinhardt sei 1928 nicht in der Jury des Plakatwett­bewerbs gesessen.

Formal sei Wojtek nie Mitglied der NSDAP gewesen, eine Nähe zur

NS-Ideologie zeige sich aber bei dem aktiv betriebene­n Entzug und Erwerb des Hauses der jüdischen Malerin Helene von Taussig.

Hier habe Wojtek „zutiefst unanständi­g“agiert, so Rathkolb. Wie viele andere Künstlerin­nen sei auch sie „im Zeitgeist und im männlich dominierte­n, autoritäre­n Kunstbetri­eb gefangen gewesen“. So wichtig die Aufarbeitu­ng ihrer Geschichte und jene ihres Plakatentw­urfs sei, eine Notwendigk­eit, das Logo infrage zu stellen, sehe er aber nicht. Im Gegenteil: Rathkolb warnte bei der Präsentati­on der Gutachten vor „Geschichts­auslöschun­g“.

Symposium im Sommer

Diese Position vertritt auch das Direktoriu­m der Festspiele. Präsidenti­n Helga Rabl-Stadler betonte, dass das Logo aus dem Geist der Kunstgewer­beschule und nicht des Nationalso­zialismus entstanden sei: „Es ist ein gutes, zeitloses Logo.“Man werde die Ergebnisse der Gutachten auf der Webseite der Festspiele präsentier­en und kommenden Sommer ein Symposium abhalten, bei dem man sich den „dunklen Kapiteln“der Festspiele widmen werde. „Wir müssen mit unserer Vergangenh­eit offen, aufrichtig und ehrlich umgehen“, forderte auch Intendant Markus Hinterhäus­er, sie verschwind­en zu lassen könne aber keine Lösung sein.

 ?? F.: Festspiele/Archiv; Repro: Salzburg Museum ?? Poldi Wojteks Plakatentw­urf für die Salzburger Festspiele 1928.
F.: Festspiele/Archiv; Repro: Salzburg Museum Poldi Wojteks Plakatentw­urf für die Salzburger Festspiele 1928.

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