„Alles ist in einem falschen Ideal“
In der deutschen Horrorserie „Hausen“zieht Charly Hübner als Hausmeister in einen Plattenbau mit bösartigem Eigenleben. Gegen Finsternis und Kloake beim Dreh half ihm Schostakowitsch. Zu sehen ab Donnerstag auf Sky.
Manche Plätze sind nicht fürs Leben gemacht. Plattenbauten zum Beispiel. In einen solchen ziehen Jaschek Grundmann und sein Sohn Juri in der Serie Hausen – auf Sky seit heute, Donnerstag, abrufbar. Jaschek muss als Hausmeister erkennen, dass sich hier nicht nur jede Menge kaputte Existenzen aufhalten, sondern ein Bauwerk selbst mehr Störungen aufweisen kann als eine defekte Heizung. Es lebt! Hausen ist ein finsteres Kammerspiel in acht Folgen, geschrieben von Till Kleinert und Anna Stoeva. Regie führte Thomas Stuber. Hausmeister Jaschek, der sich dem Sog des bösen Hauses nicht entziehen kann, spielt der Deutsche Charly Hübner.
STANDARD: Besonders auffallend ist die Dunkelheit. Dass Sie mitspielen, sieht man eigentlich erst in der zweiten Folge. Wie spielt man Finsternis? Hübner: Zum Spielen wurde eine helle Dunkelheit erzeugt. Die Szenen unten im Keller waren aber tatsächlich sehr düster. Und obwohl sich das Auge schnell daran gewöhnt, hatte ich eine Taschenlampe. Worüber ich wegen der Szenen mit der schwarzen Paste froh war.
STANDARD: Klingt speziell. Hübner: War es auch. Am Boden war diese Flüssigkeit extrem rutschig, am Körper klebte es wie zäher Kaugummi. Ich musste für eine Szene fast komplett in dieser Flüssigkeit liegen. Um mich danach für die Dusche zu präparieren, brauchte ich 15 oder 20 Handtücher, um das Zeug grob von mir abzukriegen.
STANDARD: Und was sagt uns der Batz? Braune Kloake kommt wieder? Hübner: Interessante Interpretation, das höre ich zum ersten Mal.
STANDARD: Wirklich? Die Nazis im 88. Stockwerk? Der Hausmeister sagt: „Ich tu nur meine Pflicht“?
Hübner: Wenn es um den Terminus „psychologische Kloake“geht, würde ich das unterschreiben. Es gibt aber andere Bewohner. Es geht um Schuldempfinden, Scham – für mich ist die Kloake ein Sinnbild dafür.
STANDARD: Der Hausmeister macht eine Verwandlung durch, hat sein „Shining“. Haben Sie sich von Jack Nicholson etwas abgeschaut? Hübner: Natürlich war Shining assoziativ ein Thema. Aber so tolle Kollegen will man gar nicht kopieren. Bei uns war die allgegenwärtige und doch verborgene Traurigkeit der Schlüssel zu allem. Es macht etwas mit einem, wenn man sich die Traurigkeit und die innere Schuld verbietet. Dann kommt man automatisch in dieses Maulfaule.
STANDARD: Traurigkeit zieht Sie an, sagten Sie in einem Interview. Hübner: Weil Traurigkeit immer weniger stattfinden darf. Mich hat als Kind schon fasziniert, wenn Traurigkeit aus Menschen herausbricht. Das ist schauspielerisch reizvoll, ebenso übrigens wie die Gegenfrage: Wie fühlt sich jemand im innersten Kern total glücklich, und wie sieht das aus? Springe ich wie ein Trottel durch den Garten? Oder sehe ich mich bei einem wolkenlosen Sonnenuntergang auf einer sehr schönen grünen Wiese? Alles ist in einem komischen, falschen Ideal.
STANDARD: Welche Musik haben Sie während des Drehs gehört?
Hübner: Die ersten Symphonien von Henryk Mikołaj Górecki, dazu Stücke der niederländischen Cellistin Mayke Rademakers, das waren die beiden Hauptquellen. Dann natürlich Penderecki, Kantscheli, Schostakowitschs 10.
STANDARD: Die Serie gibt es, weil sich Menschen gern fürchten. Können Sie das nachvollziehen?
Hübner: Genau weiß ich es auch nicht. Früher habe ich als Kind über VHS-Kassetten aus dem Westen Freddy Nightmare gemocht, die Zerlegung der kleinbürgerlichen Fantasien aus Amerika. Der Film, den ich als grauenhafteste Empfindung in Erinnerung habe, ist Sumpf des Grauens, wo ein Stromkabel in einen Sumpf fällt, und dann kommen abertausende Würmer aus dem Sumpf und zerlegen ein ganzes Dorf. Am Ende saß da ein Kind auf einem völlig abgenagten Baumskelett. Ich komme vom Land, und das hat mich wirklich berührt.
STANDARD: Wie beeinflusst Corona Ihre Entscheidung für ein Drehbuch? Hübner: Gar nicht. Corona ist jetzt da und fordert viel, ein Drehbuch fordert etwas ganz anderes.
CHARLY HÜBNER (47) war zuletzt in Juli Zehs „Unterleuten“im Fernsehen. Im Jänner kommt mit ihm die ARD-Impro-Comedy „Die Clique von 1990“.
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