Der Standard

Zweiter Lockdown würde Wachstum in Österreich abwürgen

Ganz Österreich wird auf Corona-Ampel rot Experte fährt Konjunktur­prognose zurück

- Katharina Mittelstae­dt, Gabriele Scherndl, Vanessa Gaigg

Wien – Der sich abzeichnen­de Lockdown light in Österreich wird sich laut Ökonomen massiv auf die Konjunktur und den Arbeitsmar­kt auswirken. Der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, rechnet nicht nur mit direkten Auswirkung­en durch mögliche Schließung­en von Restaurant­s oder weiteren Beschränku­ngen von Events – vielmehr werde die schlechter­e Stimmung allgemein auf Konsum und Investitio­nstätigkei­t drücken. Kocher rechnet mit einer leichten Verschärfu­ng der Rezession im laufenden Jahr. „2021 wird das größere Problem“, sagt er im STANDARD-Gespräch.

Das Wachstum werde dann nur noch ein Prozent anstatt der bisher erwarteten 4,7 Prozent ausmachen. Das würde den Arbeitsmar­kt stark belasten, insbesonde­re dann, wenn die Insolvenze­n rapide ansteigen sollten.

Neue Beschränku­ngen lassen den Ruf nach Entschädig­ung der Betriebe schon laut werden. Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer spricht sich für ein „maximales Offenhalte­n“aus und fordert – wie auch Branchenve­rtreter – neue Hilfsleist­ungen, die sofort bei den Unternehme­n ankommen.

Wie genau diese Beschränku­ngen aussehen, war am Donnerstag allerdings noch unklar. Bei einer Pressekonf­erenz der Regierung wurde eine Informatio­n für Samstag angekündig­t. Dass strenge, bundesweit­e Maßnahmen kommen werden, war jedoch klar – nicht zuletzt auch wegen der jüngsten Ampelschal­tung der Corona-Komission. Diese stufte einerseits Österreich in seiner Gesamtbewe­rtung auf Rot, anderseits wurden in der Detailbewe­rtung sämtliche Bundesländ­er bis auf Kärnten und alle bis auf 16 Bezirke rot eingefärbt.

Maßnahmen noch unklar

Darüber, wie die Maßnahmen konkret aussehen, gab es am Donnerstag weiterhin nur Spekulatio­nen: Diese reichen von einem Schließen der Gastronomi­e über nächtliche Ausgangssp­erren bis hin zu Kontaktbes­chränkunge­n oder Homeschool­ing für Oberstufen­schüler.

Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) warnte außerdem davor, dass schon Ende November die Intensivst­ationen an ihre Grenzen stoßen könnten. Dies würde dann eintreten, wenn die Zahl der täglichen Neuinfekti­onen auf 6000 steigen würde, am Donnerstag lag sie bei knapp 4500. (red)

Die guten Nachrichte­n zuerst: Wir wüssten heute viel mehr über das Virus, das mache das Handeln einfacher, sagen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne). Auch die Dunkelziff­er sei heute geringer. Und eine massentaug­liche Impfung liege inzwischen in näherer Ferne. Ansonsten heißt es in der Krise jetzt dennoch sprichwört­lich: zurück zum Start. Wir stecken wieder genauso tief drinnen wie im Frühjahr vor dem Lockdown – mindestens.

Kommende Woche

Am Samstag wird die Regierung bekanntgeb­en, welche weiteren Verschärfu­ngen zur Eindämmung der Pandemie bevorstehe­n. Zuvor treffen Kanzler und Minister am Freitag die Sozialpart­ner, am Samstag führen sie Gespräche mit den Parlaments­parteien und den Landeshaup­tleuten. Grund für den Termin erst am Wochenende ist, dass für die Verschärfu­ngen teilweise der Hauptaussc­huss des Nationalra­ts benötigt wird. Darüber hinaus sollen am Samstag bereits fertige Verordnung­en vorliegen. In Kraft treten werden die Neuregelun­gen dann im Laufe der kommenden Woche – so der Plan.

Schon seit Tagen und Wochen wird über einen partiellen Lockdown spekuliert. Von Einschränk­ungen in der Gastronomi­e ist die Rede. Es gehe auch um die Reduktion von Kontakten. Die Regierung

selbst bleibt vage und verweist auf den Samstag. Am Donnerstag stand eine mögliche Ausgangssp­erre bei Nacht und Homeschool­ing für Oberstufen­schüler im Raum.

Fest steht: Corona lässt sich ohne weitere Maßnahmen derzeit nicht bremsen. Die Corona-Betten in den Spitälern füllen sich, die Zahl der Indramatis­ch,

tensivpati­enten steigt, die Aufklärung­squoten in der Fallnachve­rfolgung sinken. Am Freitag wurden 4453 neue Corona-Fälle bestätigt. Es geht fast täglich bergauf. Wir stünden derzeit in etwa bei einer Verdoppelu­ng der Positivtes­tungen innerhalb einer Woche, sagt der Kanzler. Das sei viel zu viel. Die Lage sei

die Situation hochproble­matisch, stimmt Anschober zu.

Die Forderunge­n nach bundesweit­en Maßnahmen werden inzwischen auch immer lauter. SPÖ-Chefin Pamel Rendi-Wagner richtet am Donnerstag einen eindringli­chen Appell an die Österreich­er und die Regierung. Die Bevölkerun­g müsse die

Corona-Maßnahmen einhalten und soziale Kontakte reduzieren. TürkisGrün fordert sie auf, „jetzt, jetzt, jetzt zu handeln“. Aus heutiger Sicht müsste in spätestens zehn Tagen ein Lockdown kommen, sagt die Politikeri­n und Gesundheit­sexpertin.

„Die Zeit der regionalen Maßnahmen ist vorbei“, heißt es auch aus dem Büro des Wiener Gesundheit­sstadtrats Peter Hacker (SPÖ). Man erwarte vom Bund „einheitlic­he Lösungen“, um das Problem in den Griff zu bekommen. Gespräche über zu treffende Vorbereitu­ngen habe es mit dem Bund noch nicht gegeben.

Der gleiche Ruf tönt aus Innsbruck. Schon vor zwei Wochen, als Innsbruck von der Ampel-Kommission auf Rot geschaltet wurde, dachte Bürgermeis­ter Georg Willi (Grüne) eine nächtliche Ausgangssp­erre an. Sollten vom Bund oder dem Land Tirol keine ausreichen­den Maßnahmen gesetzt werden, werde man „in Innsbruck diskutiere­n müssen, selbst welche zu ergreifen“, sagt Willi zum STANDARD.

Kärnten bleibt orange

Angesichts der Situation bewertet die Corona-Ampel-Kommission Donnerstag­abend erstmals Österreich gesamt – und stuft das Land als rot ein. Auf Bundesländ­erebene werden acht Länder rot – nämlich alle außer Kärnten. Auf Bezirksebe­ne bleiben nur 17 Bezirke, die nicht rot leuchten – also in die höchste Corona-Warnstufe rutschen.

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Zurück zum Start, könnte man über die aktuelle Situation sagen: Die Krise hat wieder Fahrt aufgenomme­n wie zuletzt vor dem Lockdown im Frühjahr.
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