Drei Menschen sterben bei Attentat in Nizza
Frankreich ruft nach Messerattacke mit Todesopfern die höchste Terrorwarnstufe aus
Nizza – Bei einer blutigen Messerattacke in der Basilika Notre-Dame in Nizza wurden am Donnerstag drei Menschen getötet und sechs weitere verletzt. Der mutmaßliche Attentäter wurde von der Polizei angeschossen und festgenommen.
Lange Zeit herrschte Unklarheit darüber, was sich genau am frühen Donnerstagmorgen in der Kirche zugetragen hatte. Am Nachmittag stellte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron dann klar: Die Attacke sei ein „islamistischer Terroranschlag“gewesen. Kurz danach rief sein Premierminister Jean Castex die höchste Terrorwarnstufe für das gesamte Staatsgebiet aus.
Erst vor zwei Wochen hatte ein mutmaßlicher Islamist einen Geschichtslehrer auf offener Straße enthauptet. Der Lehrer hatte die umstrittenen Mohammed-Karikaturen im Unterricht genutzt. Der Fall sorgte wie auch die neuerliche Attacke für große Bestürzung in ganz Europa und gilt Experten als Initialzündung für die neuerliche Eruption der Gewalt.
Macron kündigte vorsorglich verstärkten Schutz für Schulen und Kirchen an.
Eine Krise jagt in Frankreich die andere. Die Ankündigung eines neuen Corona-Lockdowns durch Präsident Emmanuel Macron war noch nicht verdaut, da erfolgte schon die neueste Hiobsbotschaft. Ein junger Mann drang am Donnerstagmorgen kurz vor neun Uhr in die Basilika NotreDame de l’Assomption von Nizza ein und griff die Anwesenden mit einem Messer an. Nach ersten Polizeimeldungen brachte er eine 70jährige Frau sowie den Mesner um. Eine zweite, am Hals verletzte Frau konnte sich in eine benachbarte Bar retten, verstarb dort aber kurz darauf. Nach inoffiziellen Angaben sollen bei der Attacke weitere Personen verletzt worden sein.
Der Angreifer, nach unbestätigten Meldungen ein 25-jähriger Tunesier, wurde nach einigen Minuten von einer Polizeipatrouille in der Basilika gestellt. Er soll die Ordnungshüter bedroht haben und wurde darauf von mehreren Schüssen unter anderem in die Schulter getroffen. In ein städtisches Spital gebracht, soll er noch auf dem Weg dorthin „Allahu akbar“skandiert haben.
Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlung. Premier Jean Castex gab bekannt, dass er das französische Anti-Terror-Warnsystem „Vigipirate“um eine Dringlichkeitsstufe hebe. Präsident Emmanuel Macron sprach am Nachmittag von einem islamistischen Terroranschlag. Unklar war, ob ein weiterer Vorfall in der Provence-Stadt Avignon mit dem Anschlag in Nizza zusammenhängt. In der Nähe einer psychiatrischen Klinik griff ein Mann Passanten mit einer Faustfeuerwaffe an; er wurde von Polizisten erschossen.
Für eine internationale Dimension sorgte zudem ein weiterer Anschlag in Saudi-Arabien. Ein Einheimischer griff den Türsteher des französischen Konsulats von Dschidda mit einem Messer an, wie die französische Botschaft in einem Kommuniqué mitteilte. Das Opfer wurde unter anderem am Hals verletzt, der Angreifer konnte aber von den saudischen Behörden rasch festgenommen werden.
Dieser Angriff könnte, ebenso wie womöglich jener von Nizza, auf die Debatte um die Mohammed-Karikaturen des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo zurückgehen. Vor zwei Wochen hatte ein 18-jähriger Tschetschene im Pariser Vorort
Conflans-Sainte-Honorine den Geschichtslehrer Samuel Paty enthauptet, nachdem dieser in der Staatsbürgerkunde das Thema Meinungsfreiheit mit den umstrittenen Zeichnungen illustriert hatte.
In Paris läuft seit September der Prozess gegen die Helfershelfer jener Terroristen, die 2015 zwölf Charlie-Mitarbeiter ermordet hatten. Das Magazin veröffentlichte zum Anlass alte Karikaturen. In diversen Ländern
wie Pakistan kommt es seither zu Protestkundgebungen. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Karikaturen als islamfeindlich bezeichnet und einen massiven Streit mit Macron begonnen. Das Wochenmagazin karikierte ihn darauf, wie er die islamische Bekleidung einer Frau hochhebt und ihren Hintern entblößt. Den Angriff von Nizza verurteilte das offizielle Ankara am Donnerstag eilig. Solidarität mit Paris bekundeten die EU, Berlin und Wien.
Debatte um Kirchenschutz
Für Entsetzen und Bestürzung sorgte am Donnerstag in Frankreich nicht nur der Angriff auf Kirchgänger, sondern auch das Symbol Nizza: Die Stadt war 2016 von einer der mörderischsten Attacken heimgesucht worden, als ein Attentäter am Nationalfeiertag mit einem Lastwagen 87 Menschen zu Tode fuhr.
All dies kommt nun in Frankreich wieder hoch. Damit nicht genug, wird sich am 13. November auch der Anschlag auf das Lokal Bataclan und weitere Orte in Paris zum fünften Mal jähren. Damals lenkte die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) aus Syrien die gut organisierten Jihadisten aus Frankreich und Belgien.
Die Früherkennung dieser geheimdienstlich nicht registrierten Täter sei fast unmöglich, meinte der Polizeigewerkschafter David-Olivier Reverdy. Der konservative Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, forderte im Fernsehsender BFM die Rückkehr zum Notrecht, wie es in Frankreich von 2015 bis 2017 gegolten hatte. Ein Polizeivertreter entgegnete: „Man kann ja nicht vor jede der 40.000 Kirchen im Land einen Gendarmen stellen.“