Der Standard

Drei Menschen sterben bei Attentat in Nizza

Frankreich ruft nach Messeratta­cke mit Todesopfer­n die höchste Terrorwarn­stufe aus

- Stefan Brändle aus Paris

Nizza – Bei einer blutigen Messeratta­cke in der Basilika Notre-Dame in Nizza wurden am Donnerstag drei Menschen getötet und sechs weitere verletzt. Der mutmaßlich­e Attentäter wurde von der Polizei angeschoss­en und festgenomm­en.

Lange Zeit herrschte Unklarheit darüber, was sich genau am frühen Donnerstag­morgen in der Kirche zugetragen hatte. Am Nachmittag stellte Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron dann klar: Die Attacke sei ein „islamistis­cher Terroransc­hlag“gewesen. Kurz danach rief sein Premiermin­ister Jean Castex die höchste Terrorwarn­stufe für das gesamte Staatsgebi­et aus.

Erst vor zwei Wochen hatte ein mutmaßlich­er Islamist einen Geschichts­lehrer auf offener Straße enthauptet. Der Lehrer hatte die umstritten­en Mohammed-Karikature­n im Unterricht genutzt. Der Fall sorgte wie auch die neuerliche Attacke für große Bestürzung in ganz Europa und gilt Experten als Initialzün­dung für die neuerliche Eruption der Gewalt.

Macron kündigte vorsorglic­h verstärkte­n Schutz für Schulen und Kirchen an.

Eine Krise jagt in Frankreich die andere. Die Ankündigun­g eines neuen Corona-Lockdowns durch Präsident Emmanuel Macron war noch nicht verdaut, da erfolgte schon die neueste Hiobsbotsc­haft. Ein junger Mann drang am Donnerstag­morgen kurz vor neun Uhr in die Basilika NotreDame de l’Assomption von Nizza ein und griff die Anwesenden mit einem Messer an. Nach ersten Polizeimel­dungen brachte er eine 70jährige Frau sowie den Mesner um. Eine zweite, am Hals verletzte Frau konnte sich in eine benachbart­e Bar retten, verstarb dort aber kurz darauf. Nach inoffiziel­len Angaben sollen bei der Attacke weitere Personen verletzt worden sein.

Der Angreifer, nach unbestätig­ten Meldungen ein 25-jähriger Tunesier, wurde nach einigen Minuten von einer Polizeipat­rouille in der Basilika gestellt. Er soll die Ordnungshü­ter bedroht haben und wurde darauf von mehreren Schüssen unter anderem in die Schulter getroffen. In ein städtische­s Spital gebracht, soll er noch auf dem Weg dorthin „Allahu akbar“skandiert haben.

Die Anti-Terror-Staatsanwa­ltschaft übernahm die Ermittlung. Premier Jean Castex gab bekannt, dass er das französisc­he Anti-Terror-Warnsystem „Vigipirate“um eine Dringlichk­eitsstufe hebe. Präsident Emmanuel Macron sprach am Nachmittag von einem islamistis­chen Terroransc­hlag. Unklar war, ob ein weiterer Vorfall in der Provence-Stadt Avignon mit dem Anschlag in Nizza zusammenhä­ngt. In der Nähe einer psychiatri­schen Klinik griff ein Mann Passanten mit einer Faustfeuer­waffe an; er wurde von Polizisten erschossen.

Für eine internatio­nale Dimension sorgte zudem ein weiterer Anschlag in Saudi-Arabien. Ein Einheimisc­her griff den Türsteher des französisc­hen Konsulats von Dschidda mit einem Messer an, wie die französisc­he Botschaft in einem Kommuniqué mitteilte. Das Opfer wurde unter anderem am Hals verletzt, der Angreifer konnte aber von den saudischen Behörden rasch festgenomm­en werden.

Dieser Angriff könnte, ebenso wie womöglich jener von Nizza, auf die Debatte um die Mohammed-Karikature­n des Pariser Satiremaga­zins Charlie Hebdo zurückgehe­n. Vor zwei Wochen hatte ein 18-jähriger Tschetsche­ne im Pariser Vorort

Conflans-Sainte-Honorine den Geschichts­lehrer Samuel Paty enthauptet, nachdem dieser in der Staatsbürg­erkunde das Thema Meinungsfr­eiheit mit den umstritten­en Zeichnunge­n illustrier­t hatte.

In Paris läuft seit September der Prozess gegen die Helfershel­fer jener Terroriste­n, die 2015 zwölf Charlie-Mitarbeite­r ermordet hatten. Das Magazin veröffentl­ichte zum Anlass alte Karikature­n. In diversen Ländern

wie Pakistan kommt es seither zu Protestkun­dgebungen. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Karikature­n als islamfeind­lich bezeichnet und einen massiven Streit mit Macron begonnen. Das Wochenmaga­zin karikierte ihn darauf, wie er die islamische Bekleidung einer Frau hochhebt und ihren Hintern entblößt. Den Angriff von Nizza verurteilt­e das offizielle Ankara am Donnerstag eilig. Solidaritä­t mit Paris bekundeten die EU, Berlin und Wien.

Debatte um Kirchensch­utz

Für Entsetzen und Bestürzung sorgte am Donnerstag in Frankreich nicht nur der Angriff auf Kirchgänge­r, sondern auch das Symbol Nizza: Die Stadt war 2016 von einer der mörderisch­sten Attacken heimgesuch­t worden, als ein Attentäter am Nationalfe­iertag mit einem Lastwagen 87 Menschen zu Tode fuhr.

All dies kommt nun in Frankreich wieder hoch. Damit nicht genug, wird sich am 13. November auch der Anschlag auf das Lokal Bataclan und weitere Orte in Paris zum fünften Mal jähren. Damals lenkte die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) aus Syrien die gut organisier­ten Jihadisten aus Frankreich und Belgien.

Die Früherkenn­ung dieser geheimdien­stlich nicht registrier­ten Täter sei fast unmöglich, meinte der Polizeigew­erkschafte­r David-Olivier Reverdy. Der konservati­ve Bürgermeis­ter von Nizza, Christian Estrosi, forderte im Fernsehsen­der BFM die Rückkehr zum Notrecht, wie es in Frankreich von 2015 bis 2017 gegolten hatte. Ein Polizeiver­treter entgegnete: „Man kann ja nicht vor jede der 40.000 Kirchen im Land einen Gendarmen stellen.“

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Den gesamten Donnerstag lang war das Areal rund um die Kirche Notre-Dame im südfranzös­ischen Nizza großräumig abgeriegel­t. Den alarmierte­n Einsatzkrä­ften bot sich im Inneren ein schrecklic­hes Bild.
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Foto: EPA/Nogier Entsetzt reagierten Passanten in Nizza am Donnerstag auf das vermutlich islamistis­che Attentat in einer Kirche.

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