Grüne Ernüchterung
Die Freude über das beste Wahlergebnis in Wien ist bei den Grünen Ernüchterung gewichen. Noch dazu befindet sich Parteichefin Birgit Hebein, die negativ getestet wurde, in Heimquarantäne. Erste Grüne halten Rot-Grün nicht mehr für realistisch.
Birgit Hebein setzt noch auf die Hoffnung. Erste Grüne halten Rot-Grün nicht mehr für realistisch.
Auch Tage nach der Entscheidung von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), die rotgrüne Koalition nach zehn Jahren zu beenden und mit den Neos zu verhandeln, hängen die Grünen in Wien in den Seilen. Der rote Rauswurf hat den bisherigen Juniorpartner völlig aus der Bahn geworfen: Schließlich haben die Grünen schon im Wahlkampf nur auf die Fortsetzung von Rot-Grün gesetzt.
Das benommene Taumeln nach dem herben Rückschlag wird noch einige Zeit andauern. Der grüne Klub verweist weiter auf die Aussagen von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, wonach die Türen für die SPÖ weiterhin offen stehen – sollte kein rot-pinker Deal zustande kommen. Damit bleibt auch offen, wie es in der Partei weitergeht. Die Vorbereitung auf harte Oppositionsarbeit muss noch warten.
Den Grünen stehen nach ihrem mit knapp 15 Prozent bisher besten
Wahlergebnis in Wien in Opposition zwei nicht amtsführende Stadtratsposten zu. Wer diese erhält, wird in den grünen Gremien geklärt. Auch hier heißt es warten: Kommende Woche wird es noch keine Entscheidung geben, wie es am Donnerstag aus dem grünen Klub hieß.
Die bisherige amtsführende Verkehrsstadträtin Hebein muss das Aus für Rot-Grün – und damit auch den Verlust von Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten – parteiintern verteidigen. Noch halten sich Kritiker mit Vorwürfen an die Parteispitze bedeckt: Dass es Hebein nicht gelungen ist, zeitnah mit Ludwig eine neue Erzählung zu erarbeiten, wird ihr aber hinter vorgehaltener Hand angekreidet.
Dabei haben die unter Druck stehenden Grünen der SPÖ in Gesprächen auch Angebote gemacht: „Alles ist verhandelbar“, soll es geheißen haben. Selbst das Verkehrsresauch
sort. Gerade der Streit um die verkehrsberuhigte Innenstadt, Pop-upProjekte auf Kosten des Individualverkehrs oder andere Einschnitte, um Verkehrsreduzierung zu erzielen, haben SPÖ-Vertreter auf die Palme gebracht. Der rot-grüne Zwist hat im Laufe des Wahlkampfs für immer mehr Missstimmung zwischen SPÖ und Grünen gesorgt.
„Machtingenieur“Ludwig
Andere Grüne verteidigen hingegen Hebein: Stadtchef Ludwig sei ein „Machtingenieur“– und die Pinken eben der billigere Partner. „Die SPÖ mag auch uns lieber, wenn wir klein sind“, lautet ein trockenes Fazit. Dass Ludwig bei der Bekanntgabe der Koalitionsverhandlung darauf verwiesen hat, dass die SPÖ sechsmal stärker als die Neos ist, würde das unterstreichen.
Während Hebein sich zumindest offiziell an den Strohhalm klammert, dass die rot-pinken Gespräche
noch scheitern können, ist für Rüdiger Maresch klar: Das war’s vorerst mit Rot-Grün in Wien. Der scheidende Verkehrssprecher der Öko-Partei meint zum STANDARD: „Unter den Rahmenbedingungen hatten wir keine Chance auf eine würdige Koalition.“Mit abgespeckten „Blumenressorts“hätten sich die Grünen nicht zufriedengeben können. Nun gelte es, eine Oppositionspolitik von Tag eins weg zu fahren.
Dass die grüne Transformation zurück zur Oppositionspartei vorerst stockt, hat aber auch noch einen anderen Hintergrund: Hebein hatte engeren Kontakt mit einer positiv an Corona erkrankten Person und musste als K1-Kontaktperson in Heimquarantäne. Am Mittwoch wurde Hebein negativ getestet, wie dem STANDARD auf Anfrage bestätigt wurde. In Quarantäne muss Hebein aber dennoch noch einige Tage bleiben.
Am Freitag setzen SPÖ und Neos jedenfalls ihre Koalitionsverhandlungen weiter fort. Wie berichtet gibt es auf beiden Seiten jeweils acht Verhandlerteams zu inhaltlichen Schwerpunkten. Dazu kommt eine Koordinierungsgruppe, der auch die Parteichefs Ludwig und Christoph Wiederkehr angehören.
Nepp wird wieder Stadtrat
Die in die Einstelligkeit abgestürzte FPÖ hat nach ihrem Wahldebakel erste personelle Rochaden vollzogen. Maximilian Krauss, bisher einer von vier nicht amtsführenden freiheitlichen Stadträten, übernimmt die Führung des heftig dezimierten Rathausklubs von Anton Mahdalik. Künftig haben die Freiheitlichen statt 34 Mandatarinnen und Mandataren nur noch acht. Parteichef Dominik Nepp, der den Vizebürgermeisterposten verlor, erhält den einzigen nicht amtsführenden Stadtratsposten der Blauen.