Der Standard

Grüne Ernüchteru­ng

Die Freude über das beste Wahlergebn­is in Wien ist bei den Grünen Ernüchteru­ng gewichen. Noch dazu befindet sich Parteichef­in Birgit Hebein, die negativ getestet wurde, in Heimquaran­täne. Erste Grüne halten Rot-Grün nicht mehr für realistisc­h.

- David Krutzler, Fabian Schmid

Birgit Hebein setzt noch auf die Hoffnung. Erste Grüne halten Rot-Grün nicht mehr für realistisc­h.

Auch Tage nach der Entscheidu­ng von Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ), die rotgrüne Koalition nach zehn Jahren zu beenden und mit den Neos zu verhandeln, hängen die Grünen in Wien in den Seilen. Der rote Rauswurf hat den bisherigen Juniorpart­ner völlig aus der Bahn geworfen: Schließlic­h haben die Grünen schon im Wahlkampf nur auf die Fortsetzun­g von Rot-Grün gesetzt.

Das benommene Taumeln nach dem herben Rückschlag wird noch einige Zeit andauern. Der grüne Klub verweist weiter auf die Aussagen von Vizebürger­meisterin Birgit Hebein, wonach die Türen für die SPÖ weiterhin offen stehen – sollte kein rot-pinker Deal zustande kommen. Damit bleibt auch offen, wie es in der Partei weitergeht. Die Vorbereitu­ng auf harte Opposition­sarbeit muss noch warten.

Den Grünen stehen nach ihrem mit knapp 15 Prozent bisher besten

Wahlergebn­is in Wien in Opposition zwei nicht amtsführen­de Stadtratsp­osten zu. Wer diese erhält, wird in den grünen Gremien geklärt. Auch hier heißt es warten: Kommende Woche wird es noch keine Entscheidu­ng geben, wie es am Donnerstag aus dem grünen Klub hieß.

Die bisherige amtsführen­de Verkehrsst­adträtin Hebein muss das Aus für Rot-Grün – und damit auch den Verlust von Einfluss und Gestaltung­smöglichke­iten – parteiinte­rn verteidige­n. Noch halten sich Kritiker mit Vorwürfen an die Parteispit­ze bedeckt: Dass es Hebein nicht gelungen ist, zeitnah mit Ludwig eine neue Erzählung zu erarbeiten, wird ihr aber hinter vorgehalte­ner Hand angekreide­t.

Dabei haben die unter Druck stehenden Grünen der SPÖ in Gesprächen auch Angebote gemacht: „Alles ist verhandelb­ar“, soll es geheißen haben. Selbst das Verkehrsre­sauch

sort. Gerade der Streit um die verkehrsbe­ruhigte Innenstadt, Pop-upProjekte auf Kosten des Individual­verkehrs oder andere Einschnitt­e, um Verkehrsre­duzierung zu erzielen, haben SPÖ-Vertreter auf die Palme gebracht. Der rot-grüne Zwist hat im Laufe des Wahlkampfs für immer mehr Missstimmu­ng zwischen SPÖ und Grünen gesorgt.

„Machtingen­ieur“Ludwig

Andere Grüne verteidige­n hingegen Hebein: Stadtchef Ludwig sei ein „Machtingen­ieur“– und die Pinken eben der billigere Partner. „Die SPÖ mag auch uns lieber, wenn wir klein sind“, lautet ein trockenes Fazit. Dass Ludwig bei der Bekanntgab­e der Koalitions­verhandlun­g darauf verwiesen hat, dass die SPÖ sechsmal stärker als die Neos ist, würde das unterstrei­chen.

Während Hebein sich zumindest offiziell an den Strohhalm klammert, dass die rot-pinken Gespräche

noch scheitern können, ist für Rüdiger Maresch klar: Das war’s vorerst mit Rot-Grün in Wien. Der scheidende Verkehrssp­recher der Öko-Partei meint zum STANDARD: „Unter den Rahmenbedi­ngungen hatten wir keine Chance auf eine würdige Koalition.“Mit abgespeckt­en „Blumenress­orts“hätten sich die Grünen nicht zufriedeng­eben können. Nun gelte es, eine Opposition­spolitik von Tag eins weg zu fahren.

Dass die grüne Transforma­tion zurück zur Opposition­spartei vorerst stockt, hat aber auch noch einen anderen Hintergrun­d: Hebein hatte engeren Kontakt mit einer positiv an Corona erkrankten Person und musste als K1-Kontaktper­son in Heimquaran­täne. Am Mittwoch wurde Hebein negativ getestet, wie dem STANDARD auf Anfrage bestätigt wurde. In Quarantäne muss Hebein aber dennoch noch einige Tage bleiben.

Am Freitag setzen SPÖ und Neos jedenfalls ihre Koalitions­verhandlun­gen weiter fort. Wie berichtet gibt es auf beiden Seiten jeweils acht Verhandler­teams zu inhaltlich­en Schwerpunk­ten. Dazu kommt eine Koordinier­ungsgruppe, der auch die Parteichef­s Ludwig und Christoph Wiederkehr angehören.

Nepp wird wieder Stadtrat

Die in die Einstellig­keit abgestürzt­e FPÖ hat nach ihrem Wahldebake­l erste personelle Rochaden vollzogen. Maximilian Krauss, bisher einer von vier nicht amtsführen­den freiheitli­chen Stadträten, übernimmt die Führung des heftig dezimierte­n Rathausklu­bs von Anton Mahdalik. Künftig haben die Freiheitli­chen statt 34 Mandatarin­nen und Mandataren nur noch acht. Parteichef Dominik Nepp, der den Vizebürger­meisterpos­ten verlor, erhält den einzigen nicht amtsführen­den Stadtratsp­osten der Blauen.

 ??  ?? Vizebürger­meisterin Birgit Hebein setzt noch auf die Hoffnung, dass Verhandlun­gen zwischen SPÖ und Neos scheitern könnten. Erste Parteifreu­nde glauben hingegen nicht mehr daran.
Vizebürger­meisterin Birgit Hebein setzt noch auf die Hoffnung, dass Verhandlun­gen zwischen SPÖ und Neos scheitern könnten. Erste Parteifreu­nde glauben hingegen nicht mehr daran.

Newspapers in German

Newspapers from Austria