Der Standard

Ende November könnten die Intensivbe­tten knapp werden

Momentan sind etwa so viele Betten belegt wie kurz nach dem Lockdown – ein Ausbau sei aber erst in Monaten oder Jahren möglich

- Gabriele Scherndl

Es war sozusagen die Einstimmun­g auf den Samstag, was Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) da am Donnerstag­nachmittag vor der Presse besprachen. Die Kernaussag­e: Die Intensivbe­tten werden knapp, wenn man jetzt nicht handelt.

Konkret, so sagte Kurz schon vor zwei Wochen, sei das ab 6000 Infektione­n pro Tag der Fall, nun habe er sich diese Zahl im Gespräch mit Experten erneut bestätigen lassen. Außerdem wollte man sich einen Überblick verschaffe­n, wie es um die Kapazitäte­n stehe, weil die Bundesländ­er

teils unterschie­dliche Zahlen melden würden. Die Conclusio: Die Situation sei ernst, sagte Anschober. Schon Ende November könnte die Auslastung der Intensivbe­ttenkapazi­täten erreicht sein.

248 Intensivbe­tten belegt

Zwei der Experten, mit denen die Regierung vor der Pressekonf­erenz beriet, standen neben Anschober und Kurz an den Pulten. Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH erläuterte, dass im Schnitt eine von 100 Corona-infizierte­n Personen innerhalb von fünf bis sieben Tagen ab Beginn der Erkrankung ins Spital müsse. Dort müsse diese Person im Schnitt dann 12,5 Tage auf der Intensivst­ation behandelt werden. Aktuell seien 248 Personen auf Intensivst­ationen, diese würden aber „rasant mehr“werden, weil die Infektions­zahlen der Vorwoche die Bettenbela­gszahlen von heute determinie­ren würden. Zum Vergleich: Im Frühling, kurz nach dem Lockdown, waren ähnlich viele Personen auf der Intensivst­ation, die Zahl sank in den Wochen danach jedoch rasch.

Mitte November würden laut Prognose 400 bis 500 Patienten auf Intensivst­ationen sein, sagte Ostermann – die seien noch „versorgbar“. 1800 Menschen könnte man im Schnitt gleichzeit­ig in Österreich­s Intensivbe­tten betreuen, davon würden aber nur 60 Prozent das Bett akut benötigen. Somit gebe es ein Potenzial von 700 Betten, die für Covid-Patienten zur Verfügung gestellt werden können – wenn man geplante Aufenthalt­e in der Intensivst­ation verschiebe­n würde. Es brauche dennoch eine „massive Änderung der Maßnahmen und der Befolgung der Maßnahmen“, sagte Ostermann.

Kritischer Punkt bei 6000

Der zweite Experte in der Runde, Klaus Markstalle­r, Präsident der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Anästhesie, Reanimatio­n und Intensivme­dizin (ÖGARI), meinte, Österreich sei zwar „sehr gut ausgestatt­et“, was die Intensivbe­ttenkapazi­täten angehe, dennoch seien die Betten schon zu normalen Zeiten – abseits einer Pandemie – zu bis zu 95 Prozent ausgelaste­t. „Kleine Spitzen“könne man damit abfangen, ein grassieren­des Virus aber nicht. Denn: „Das ist die teuerste Ressource in einem Krankenhau­s, sie wurde optimiert, um gut ausgelaste­t zu sein.“Man habe daher zwei Möglichkei­ten: Entweder man bremse „den Zufluss“, oder man baue Kapazitäte­n aus. Und Option B dauere nun einmal Monate bis Jahre. Würden die täglichen Neuinfekti­onen auf über 6000 steigen, wäre man „nicht mehr in der Lage, die bestmöglic­he Medizin individuel­l bereitzust­ellen“.

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