Der Standard

Das Virus hat sich auch auf dem Land eingeniste­t

Die Gefahr lauert nicht mehr nur in Städten, sie breitet sich flächendec­kend aus. Cluster treten oft im privaten Bereich, bei „Garagenpar­tys“auf, klagen Bezirkshau­ptleute. Auch Ausgangssp­erren stehen zur Debatte.

- Vanessa Gaigg, Walter Müller, Gabriele Scherndl

Zu Beginn der Pandemie, im Frühling, war die Schuldzuor­dnung in den ländlichen Regionen noch recht einfach: Wenn Covid-19-Fälle auftauchte­n, waren es meist – nach Ansicht der anwohnende­n Bevölkerun­g – die Zuag’rasten aus den Städten, die Zweitwohnb­esitzer, die das Virus aufs Land brachten. Mittlerwei­le hat sich das Bild dramatisch verändert und das Virus flächendec­kend im ganzen Land ausgebreit­et – auch in den ländlichen Bezirken und Gemeinden. Auch die Inzidenzza­hlen, die die Fälle pro 100.000 Einwohner angeben, zeigen, dass auch ländliche Bezirke stark betroffen sind.

So stark, dass der am stärksten betroffene Bezirk Schwaz nun zumindest über eine Ausgangssp­erre diskutiert, wie Bürgermeis­ter Hans Lintner (ÖVP) dem STANDARD mitteilt: „Wir hoffen, dass diese Maßnahme nicht notwendig sein wird.“Eine Quarantäne, so wie sie über Kuchl verhängt wurde, stehe derzeit aber noch nicht zur Debatte.

„Ich glaube, den Menschen ist es jetzt sehr bewusst, dass das Virus überall ist“, sagt auch die Bezirkshau­ptfrau vom besonders betroffene­n oberöstere­ichischen Bezirk Rohrbach, Wilbirg Mitterlehn­er. In der Rückverfol­gung sei recht gut erkennbar, wo die Infektions­ketten auf dem Land verlaufen. Meist sind es einige Cluster, die hohe Zahlen produziere­n. Im Rohrbach etwa ein Gymnasium und eine Behinderte­neinrichtu­ng. Ein Drittel der Fälle komme aus dem privaten Bereich, von dort, wo die Kontakte besonders eng sind. Bei der Feier nach dem Fußballmat­ch, bei Feiern am Wochenende, bei Stammtisch­en im Wirtshaus, „was natürlich Folgeerkra­nkungen in der Familie, bei der Gattin oder den Kindern, nach sich zieht. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Bevölkerun­g jetzt dessen bewusst ist, was auf dem Spiel steht, und bemüht ist, sich an die Regeln zu halten“, sagt Mitterlehn­er.

Alarmieren­d sei im Bezirk die Zahl der Hospitalis­ierungen. Zu Anfang der Pandemie seien bloß zwei oder drei Infizierte im Krankenhau­s behandelt worden, aktuell seien es zwischen 20 und 30.

Umstritten­e Rechtslage

Ein ähnliches Bild zeichnet auch Christoph Schweitzer, Bezirkshau­ptmann der beiden ebenfalls besonders betroffene­n oberösterr­eichischen Bezirke Eferding und Grieskirch­en. Schweitzer weiß von einigen lokalen Clustern, die die Zahl der Infizierte­n in die Höhe getrieben haben: Ein Sportverei­n, ein Lokal, eine landwirtsc­haftliche Fachschule waren Ausgangspu­nkte zahlreiche­r Infektione­n. Wie in Rohrbach seien es aber vor allem

auch private Feiern, die die Zahlen nach oben führen. Nur: „Viele sind oft nicht mehr willens, sich an die Regeln zu halten“, sagt Schweitzer.

In Salzburg macht sich zunehmend Verzweiflu­ng breit. Besonders hoch sind die Zahlen in Hallein und St. Johann im Pongau. Im ganzen Bundesland könne man mittlerwei­le nicht mehr nachvollzi­ehen, wo der größte Teil der Ansteckung­en passiert, heißt es vom Landespres­sedienst. Eines aber sei mittlerwei­le klar: Die Quarantäne in Kuchl, die am Sonntag Mitternach­t endet, hat Wirkung gezeigt, das zeigen die Infektions­zahlen. In ganz Salzburg gilt außerdem die vorgezogen­e Sperrstund­e, Privatpart­ys außer

halb des Wohnraums sind untersagt, „was von der Exekutive umfangreic­h und rigoros kontrollie­rt wird“, wie es auf der Website von St. Johann im Pongau heißt.

Dem schließt sich auch Oberösterr­eichs Landespoli­zeidirekto­r Andreas Pilsl an: Er kündigte flächendec­kende Kontrollen an. Notfalls werde man sich auch gegen den Willen der Betroffene­n Zutritt in den privaten Bereich verschaffe­n, hieß es vom Krisenstab. Ähnliche Regelungen zum Verbot von Garagenpar­tys gibt es auch in Tirol und Vorarlberg. Unter Experten gelten diese jedoch als umstritten; es wird angezweife­lt, ob es dafür eine rechtliche Grundlage gibt.

„Ich glaube, den Menschen ist jetzt sehr bewusst, dass das Virus überall ist.“

Wilbirg Mitterlehn­er, Bezirkshau­ptfrau Rohrbach

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Die Bezirke sind zunehmend mit der Bewältigun­g der Pandemie überforder­t. Bei privaten Feiern sollen häufig Ansteckung­en passieren.

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