Der Standard

Die Wirtschaft muss weiterlauf­en

Heimische Unternehme­r hätten ihre Hausaufgab­en gemacht, meint WKO-Präsident Mahrer. Sie dürften nicht die Leidtragen­den eines zweiten Lockdowns werden. In vielen Branchen herrscht Unsicherhe­it.

- Bettina Pfluger, Nora Laufer, Leopold Stefan

Noch hängt alles in der Schwebe. Kommt ein zweiter Lockdown? Und falls ja, wie weitreiche­nd werden die Maßnahmen diesmal sein? Zumindest bis Samstag bleibt all das unklar. Mit Bangen blicken heimische Unternehme­r unterdesse­n nach Deutschlan­d, wo ab Montag deutlich strengere Corona-Maßnahmen in Kraft treten: Kosmetik- und Fitnessstu­dios werden geschlosse­n, die Gastronomi­e muss zusperren, und für den Einzelhand­el gibt es strikte Vorschrift­en.

Die Gastrobran­che würde es jedenfalls „massiv treffen“, sollte es zu ähnlichen Vorkehrung­en wie im Frühjahr kommen, warnt WKOSparten­obmann Mario Pulker. Selbst wenn Restaurant­s und Cafés weiter geöffnet bleiben dürften, würde sie ein „Lockdown auf Umwegen“erreichen. Wer geht schon essen, wenn man das Haus möglichst nicht verlassen soll, fragt der Spartenobm­ann sinngemäß.

In der Branche sei die Stimmung schlecht: Wirte würden in ihrer Erwerbsfäh­igkeit beschnitte­n werden, sagt Pulker – Weihnachts­feiern und Hochzeiten wurden abgesagt, zudem würden die Spielregel­n für die Gastronomi­e laufend geändert werden. Auch die Registrier­ungspflich­t würde nicht dazu beitragen, dass Wirtshäuse­r gut besucht werden. Dabei habe die Branche massive Vorkehrung­en getroffen, um das Infektions­risiko zu minimieren – dieses sei in Restaurant­s aber sowieso niedrig, ist sich Pulker sicher. Im Falle eines nächsten Lockdowns müssten Betriebe „sofort und unbürokrat­isch“ein „Helikopter-Geld“auf das Konto überwiesen bekommen. Unternehme­r könnten nicht noch einmal lange auf Hilfsmitte­l warten, von denen dann „wieder die Hälfte beim Steuerbera­ter landet“.

Massives Händlerste­rben

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Handelsver­band. Auch wenn der Einzelhand­el bei einem nächsten Lockdown die Geschäfte offen halten darf, wären die Auswirkung­en fatal. Bereits jetzt – also noch vor einer Verschärfu­ng der CoronaKris­e – erwarteten 85 Prozent der heimischen Händler einen massiven Umsatzverl­ust im heurigen Jahr. Im Schnitt wird von einem 32-prozentige­n Minus ausgegange­n. „Der Handelsver­band befürchtet vor diesem Hintergrun­d ein Coronabedi­ngtes Händlerste­rben historirei­cher schen Ausmaßes: Bis zu 6000 Geschäften droht hierzuland­e die Schließung“, warnt Handelsver­band-Geschäftsf­ührer Rainer Will.

Der Shift in Richtung Digitalisi­erung fängt trotz aller positiven Intentione­n nur Teile der entgangene­n Umsätze auf und verändert das Gefüge

„Man muss mit den Maßnahmen das Virus treffen, nicht die Betriebe.“WKO-Präsident Harald Mahrer

der Handelsbra­nche nachhaltig. Das wird zweifellos zu einer Verödung von Stadt- und Ortskernen führen“, ergänzt Handelsver­bandPräsid­ent Stephan Mayer-Heinisch.

Hinzu kommt ja auch, dass durch Jobverlust, Kurzarbeit und die allgemein gestiegene Unsicherhe­it der Menschen die Konsumlaun­e verhalten bleibt. Ein Drittel der Österspüre bereits negative finanziell­e Auswirkung­en durch Corona. Das zeigt eine Umfrage von Handelsver­band und Mindtake Research. Dringend erforderli­ch sei daher ein „Klima der Zuversicht“, heißt es dort. Die Konsumstim­mung müsse aufrechter­halten werden und damit auch der Wirtschaft­sprozess mit 600.000 Beschäftig­ten allein im Handel.

Furcht vor langer Sperre

Auch in der Fitnessbra­nche fürchten viele die Folgen eines nächsten Lockdowns. „Ein Monat lässt sich vielleicht noch verkraften, aber eine längere Sperre würde viele Studiobetr­eiber schwer treffen“, schildert Sebastian Rieder von Crossfit Vienna die Situation in der Branche. Dann hinge es von staatliche­r Unterstütz­ung ab, wer überlebt. „Die Folgen des letzten Lockdowns spüren wir immer noch“, sagt Rieder. Es werde noch länger dauern, bis man verlorene Kunden durch neue ausgleicht. Der Andrang sei derzeit deutlich geringer als vor der Krise.

„Man muss mit den Maßnahmen das Virus treffen, nicht die Betriebe“, fasst Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich, die Lage im Ö1-Mittagsjou­rnal eindringli­ch zusammen. Alle Betriebe hätten ihre Hausaufgab­en gemacht und Hygienekon­zepte entwickelt, allen voran die Gastronomi­e. Sie dürfe daher nicht erneut bestraft werden. Mahrer verstehe auch nicht, warum sich die Deutschen zu diesem Schritt entschloss­en haben. Man habe viel aus dem Frühjahr gelernt. Die Wirtschaft müsse weiterlauf­en, Mahrer spricht sich für ein „maximales Offenhalte­n“aus, das sichere Arbeitsplä­tze und damit den Wohlstand im Land.

Während die Regierung über neue Maßnahmen diskutiert, hat der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) am Donnerstag eine bisherige Regelung gekippt: Der in Lokalen vorgeschri­ebene Mindestabs­tand von einem Meter zwischen den Tischen ist nach Erkenntnis des Gerichtsho­fes rechtswidr­ig. Der VfGH hat dem Gesundheit­sministeri­um allerdings eine Reparaturf­rist bis Jahresende gegeben. Die Abstandsre­gel muss damit vorerst weiter in Lokalen eingehalte­n werden – vorausgese­tzt natürlich, dass diese nicht sowieso wieder ihre Balken herunterla­ssen müssen.

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Dieses Bild aus dem Frühjahr weckt in der Gastronomi­e böse Erinnerung­en: Die Branche fürchtet die Folgen eines möglichen nächsten Lockdowns.

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