Europa ringt mit dem Virus und dem Frust der Bevölkerung
Abstimmung innerhalb der EU-Staaten auf Corona-Videogipfel – Schweiz nimmt Österreich wieder von der roten Liste
Ein paar Fahrradkuriere, ein paar Leute beim Gassigehen mit ihren Hunden – und ein paar Polizisten, die die gespenstische Leere überwachen: Das ist im Wesentlichen das nächtliche Straßenbild in Tschechien, wo seit Mittwoch zwischen 21 Uhr und fünf Uhr früh eine weitgehende Ausgangssperre herrscht. Tagsüber ist der Handel auf die nötige Grundversorgung reduziert, Restaurants und Bars sind geschlossen. Tschechien weist im europäischen Vergleich seit Wochen besonders hohe Infektionszahlen auf, allein am Mittwoch wurden knapp 13.000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Am Donnerstag hat Präsident Miloš Zeman den bisherigen stellvertretenden Direktor der Uniklinik Brünn, Jan Blatný, zum neuen Gesundheitsminister ernannt. Dessen Vorgänger Roman Prymula musste nach nur wenigen Wochen im Amt zurücktreten. Grund: Verstoß gegen Corona-Regeln.
Derzeit ist der Job an der Spitze aller Gesundheitsministerien eine Art Mission Impossible. Allein in der vergangenen Woche gab es in Europa nach Angaben der EU-Kommission 1,1 Millionen bestätigte CoronaFälle, täglich werden 1000 Covid-19Todesfälle registriert. Die Intensivstationen füllen sich. In vielen Ländern wird das öffentliche Leben deswegen wieder drastisch zurückgefahren.
Zahlen steigen rasant
Die Schweiz hat mittlerweile in der Relation zur Einwohnerzahl die vierthöchste Neuinfektionsrate weltweit. Auch hier sind strengere Maßnahmen die Konsequenz, vergleichbar mit Deutschland. Jedenfalls nahm die Schweiz Österreich wieder von der roten Liste. In Spanien debattierte das Parlament am Donnerstag über eine Verlängerung des Corona-Notstands um sechs Monate. Auch im benachbarten Portugal wird am Wochenende über einen erneuten Lockdown beraten. In Frankreich tritt dieser bereits heute, Freitag, in Kraft. Immer öfter, wie Mittwochabend wieder in Italien, kommt es zu Protesten gegen die scharfen Maßnahmen.
Innerhalb der EU wird fieberhaft ein Modus für eine bessere Zusammenarbeit gesucht. Die EU-Staatsund -Regierungschefs trafen sich Donnerstagabend per Videoschaltung, um eine gemeinsame Linie vor allem bei Test- und Impfstrategien zu suchen – zum Beispiel, wer zuerst geimpft wird, sobald ein Serum zur Verfügung steht.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen machte mit Blick auf den Gipfel konkrete Vorschläge. So legte sie eine Empfehlung für den Einsatz der neuen Antigen-Schnelltests vor. Diese könnten gemeinsam für die EU-Staaten beschafft werden. Zur Rückverfolgung von Infektionen sollen die Staaten kompatible Apps einführen. (schub, mhe)