Der Standard

Angst vor neuer Gewaltwell­e in Cote d’Ivoire

Präsident Ouattara strebt bei der Wahl seine dritte Amtszeit an. Die Opposition ruft zum aktiven Boykott

- Katrin Gänsler aus Abidjan

Yaya Doumbia hat ein grünes TShirt übergezoge­n. Mit Freunden tanzt der 35-Jährige durch das große Zelt, das die RHDP (Sammlung der Houphoueti­sten für Demokratie und das Volk) am Kreisverke­hr Mel Théodore in der ivorischen Wirtschaft­smetropole Abidjan aufgebaut hat.

Bis zur Präsidents­chaftswahl am Samstag soll hier viel Werbung für Alassane Ouattara gemacht werden, der vor der Wahl zu seiner dritten Amtszeit steht. Noch Unschlüssi­ge kommen kaum her, sondern bloß jene, die ohnehin für Ado stimmen, wie der Staatschef von seinen Anhängern genannt wird. „Natürlich habe ich meine Wählerkart­e“, sagt Doumbia. Den Ausweis, der zur Stimmabgab­e berechtigt, hatten bis zum 25. Oktober nur gut 41 Prozent der fast 7,5 Millionen Wähler erhalten. Eine Prognose zur Wahlbeteil­igung ist deshalb schwierig.

Doumbia, der als Schneider arbeitet, will Ouattara erneut wählen, weil dieser viel für die Jugend getan habe. „Er hat uns dieses tolle Stadion gebaut“, nennt er ein Beispiel. „Ado braucht eine fünfte Amtszeit“, sagt er überzeugt und korrigiert sich schnell: Es sei ja erst die dritte.

Dritte Amtszeit möglich

Genau das ist die Kritik. Die Verfassung sieht nur zwei Amtszeiten von je fünf Jahren vor. Durch eine Änderung 2016 wurde die Regel zwar nicht außer Kraft gesetzt, frühere Amtszeiten aber nicht mitgerechn­et. Ouattara kann so erneut antreten, was er und seine Partei mit dem plötzliche­n Tod von Premier Amadou Gon Coulibaly im Juli rechtferti­gen, der eigentlich als Nachfolger vorgesehen war. Auf die Schnelle hätte man keinen anderen Kandidaten aufbauen können.

Seitdem läuft die Opposition Sturm. Neben dem Amtsinhabe­r wurden nur drei Bewerber zugelassen, von denen zwei – Henri Konan Bédié von der Demokratis­chen Partei der Cote d’Ivoire (PDCI) und Pascal Affi N’Guessan von der Ivorischen Volksfront (FPI) – zum Boykott aufgerufen haben. Es wird spekuliert, ob deren Anhänger versuchen werden, die Bevölkerun­g vom Urnengang abzuhalten. Das Sicherheit­saufgebot ist groß.

Unklar ist auch, wie sich die beiden im Exil lebenden Politiker verhalten: Guillaume Soro und Laurent Gbagbo. Wegen Verurteilu­ngen zu langjährig­en Haftstrafe­n wurden sie von der Kandidatur ausgeschlo­ssen. Soro, einstiger Rebellench­ef und Premiermin­ister, verbreitet auf Twitter, dass die Wahl nicht stattfinde­t. Gbagbo, der 2010 gegen Ouattara unterlag, worauf eine Krise mit mehr als 3000 Toten folgte, ist ruhiger. Gerade er hat aber zahlreiche Gefolgsleu­te innerhalb des FPI.

Das zeigt: Das alte Machtdreie­ck, zu dem seit Jahrzehnte­n Ouattara, Bédié und Gbagbo gehören, lebt.

Keiner kann sich zurückzieh­en, wenn die beiden anderen weitermach­en. „Es hat zu der Vorwahlkri­se geführt und zu der politische­n Blockade,“sagt Florian Karner von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch hat es bisher einen Generation­swechsel verhindert.

Dabei sind es vor allem die Jungen, die unter den Spannungen leiden. In den vergangene­n Wochen starben Dutzende bei Protesten. Unter anderem aus Wut wegen Ouattaras erneuter Kandidatur brannten sie Mitte August die Polizeista­tion nieder. Es wurde Tränengas eingesetzt, Schüsse fielen.

Auch Juliette Kouassi Adjobo hat fast alles verloren. Eigentlich verkauft sie in Bonoua Bücher und Hefte, doch ihr Geschäft fiel dem Vandalismu­s während der Ausschreit­ungen zum Opfer. Eines ist für sie klar: „Die Cote d’Ivoire braucht jemanden, der das Land führt. Wir können doch nicht weiter in dieser Leere leben.“

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