Der Standard

Daumendrüc­ken für Biden in Berlin und Paris

Amtsinhabe­r Trump fand einen treuen Verbündete­n in Warschau

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IBirgit Baumann aus Berlin Stefan Brändle aus Paris Olivia Kortas aus Warschau

n Berlin ist der Wunsch unausgespr­ochen, aber deutlich: Hoffentlic­h schafft Donald Trump keine zweite Amtszeit. Zwar hat seine Wahl 2016 der deutschen Kanzlerin Angela Merkel einen Popularitä­tsaufschwu­ng beschert, sie wurde von vielen als seine Gegenspiel­erin, als letzte Vertreteri­n der „freien Welt“und Verfechter­in des Multilater­alismus gefeiert. Entspreche­nd schwierig waren aber die Beziehunge­n in den vergangene­n vier Jahren zwischen Berlin und Washington.

Äußerst kritisch sieht Merkel Trumps Rückzug aus dem Pariser Klimaabkom­men und den Austritt aus der WHO. Die Nato hält Merkel für unverzicht­bar, und zwar unter US-Beteiligun­g. Allerdings würde ein Sieg Joe Bidens an einem Punkt nichts ändern: Schon Barack Obama hatte gefordert, dass Deutschlan­d als Nato-Staat mehr Geld für die Verteidigu­ng ausgeben müsse.

Frankreich hat ebenfalls gute Gründe, sich die Abwahl Trumps zu wünschen – allerdings andere als Deutschlan­d. Denn dass der aktuelle US-Präsident der Nato den Rücken kehrt, wird in Paris nicht nur negativ gesehen: Umso mehr hofft Frankreich, seinen Einfluss in Europa zu verstärken. Und die „hirntote“Nato, wie Emmanuel Macron sie bezeichnet hat, war in Paris noch nie sehr populär.

Wenn Frankreich leidenscha­ftlich gegen Trump ist, dann vor allem, weil er die Pariser Vorstellun­gen für eine weltweite Digitalabg­abe und eine globale Minimalste­uer systematis­ch torpediert. Während Berlin nur halbherzig zu diesen Steuerplän­en steht, verabschie­dete Frankreich 2019 ein eigenes Gesetz gegen die Steueropti­mierung durch Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft. Trump drohte daraufhin mit Handelssan­ktionen gegen französisc­hen Wein. Zu klein, um den USA allein die Stirn zu bieten, musste Frankreich die Steuer 2020 aussetzen. Umso mehr hofft Paris auf die Abwahl Trumps.

Der Freund aus Polen

Für seinen ersten Staatsbesu­ch in Europa hatte Trump übrigens Paris und Berlin überflogen, um in Warschau zu landen. Es war der Beginn einer Beziehung, von der beide Präsidente­n – Trump und der Pole Andrzej Duda – profitiert­en: Trump konnte beweisen, dass er in der EU noch Verbündete hat, Duda profiliert­e sich später kurz vor seiner Wiederwahl mit Fotos vom Besuch im Weißen Haus. Joe Biden würde wohl eher versuchen, die Beziehung zu Brüssel zu stärken. Sein Verhältnis zu Warschau hinge letztlich von der – derzeit trüben – Stimmung zwischen Polen und der EU ab.

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