Der Standard

Der größte Fanklub sitzt in Nahost

In Israel könnte US-Präsident Donald Trump den Wahlen entspannt entgegense­hen. Aber auch in den arabischen Golfstaate­n fürchtet man, dass Joe Biden an die Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama anknüpfen könnte.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Im Nahen Osten sitzen die größten Trump-Fans, in Israel würde der amtierende Präsident eine Wahl locker gewinnen. Bei einer aktuellen Umfrage für den Sender i24News sprachen sich 63,3 Prozent der Befragten für Donald Trump und nur 18,8 für Joe Biden aus; 53,2 Prozent fürchten demnach, dass sich die US-israelisch­en Beziehunge­n verschlech­tern würden, sollte Biden die Wahlen gewinnen.

Trump hat tatsächlic­h, was den Nahen Osten betrifft, seine zwei gewichtigs­ten außenpolit­ischen Verspreche­n aus dem Wahlkampf 2020 gehalten, und beide sind für Israel relevant: die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und der Ausstieg der USA aus dem JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action), dem im Juli 2015 abgeschlos­senen Atomabkomm­en mit dem Iran. Beides wurde im Mai 2018 vollzogen, wobei die Ankündigun­g der Eröffnung einer US-Botschaft in Jerusalem schon Ende 2017 stattfand.

Was den Atomdeal betrifft, beschränkt­e sich Trump nicht einfach auf einen US-Rückzug: Der Zweck war, ihn zu zerstören. Auch das wurde im Grunde erreicht, auch wenn der JCPOA nominell noch existiert. Die israelisch­e Regierung von Benjamin Netanjahu, aber auch etliche arabische Regierunge­n sahen es als fatalen Fehler Obamas an, auf eine Normalisie­rung mit dem Iran zu setzen und ihm eine wirtschaft­liche Erholung durch Wegfallen der Sanktionen zu ermögliche­n.

Schutz vor dem Kongress

Insofern hat Trump auch auf der arabischen Seite des Persischen Golfs viele Fans, nicht nur, aber besonders in den Staatskanz­leien. Für Saudi-Arabien, und dort vor allem Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS), kommt noch hinzu, dass das Weiße Haus unter Trump als Schutzschi­ld gegen den zunehmend kritischen Kongress fungierte: wegen der Menschenre­chtsverlet­zungen der saudisch-geführten Koalition im Krieg in Jemen – wo auch US-Waffen zum Einsatz kommen –, und wegen der grausamen Ermordung des saudischen Publiziste­n Jamal Khashoggi, für die die CIA den Kronprinze­n verantwort­lich macht. Trump hielt MbS die Stange.

Die Beziehunge­n zwischen Washington und Riad waren unter Obama ausgesproc­hen schlecht, dementspre­chend erleichter­t wurde die Wahl Trumps 2016 begrüßt. Dessen transaktio­nales Politikver­ständnis des „Dealens“hat auch den Vorteil für Riad, dass nervende normative Ansätze – wie Menschenre­chte oder mehr Demokratie einzuforde­rn – nicht vorkommen. Mit Biden könnte sich das wieder etwas ändern. Davor hat man auch in Ägypten Angst.

Trump hat mit der Nahost-Politik seines Vorgängers Barack Obama scharf gebrochen, umso interessan­ter ist es, dass beide im Grunde das gleiche Politikzie­l verfolgten: die USA aus dem nahöstlich­en Sumpf herauszuha­lten beziehungs­weise zu -ziehen. Das würde sich auch mit Biden nicht ändern. Der Nahe Osten hat für die USA, die inzwischen selbst Erdöl exportiere­n, nicht mehr die Bedeutung wie früher.

Die Trittbrett­fahrer

Obama hat in seinem berühmt gewordenen Interview mit Jeffrey Goldberg für The Atlantic im März 2016 das „Trittbrett­fahren“SaudiArabi­ens beklagt, was die von den USA getragene Sicherheit­sarchitekt­ur für den Nahen Osten anbelangt. Trump hat mit seiner „Maximum Pressure“-Politik gegen Teheran den USA zwar die führende Rolle zugedacht, aber die Forderung, die Araber mögen mehr zahlen und sich selbst militärisc­h engagieren, ist ein ständiges Begleitger­äusch. Er ist hier insofern selbst unter Druck, als er ja das Verspreche­n gegeben hat, alle US-Soldaten aus dem Nahen Osten wieder heimzubrin­gen. Für seine nahöstlich­en Verbündete­n ist das eine echte Drohung. Unter Biden würde da vielleicht wieder mehr Ruhe einziehen – aber für die Trump-Fans in der Region ist das nicht attraktiv genug, um sich einen Wechsel in den USA zu wünschen.

Wie viele Anhänger in den arabischen Ländern Trumps „Friedenspl­an“für den Nahen Osten wirklich hat, ist nicht erhebbar. Die Normalisie­rungswelle arabischer Staaten mit Israel rollt jedenfalls an, und das ist ein echter Paradigmen­wechsel für die Region. Die großen Verlierer sind die Palästinen­ser – und sie wissen, dass auch ein Präsident Biden sich nicht für sie in die Schlacht werfen wird. Vielen verzweifel­ten und erschöpfte­n Menschen in der Region ist es wohl einfach egal, wer im Weißen Haus sitzt.

 ?? Foto: AP ?? Donald Trump bei seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident in SaudiArabi­en: links sein „Lieblingsd­iktator“Abdelfatta­h al-Sisi, in der Mitte König Salman bin Abdulaziz.
Foto: AP Donald Trump bei seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident in SaudiArabi­en: links sein „Lieblingsd­iktator“Abdelfatta­h al-Sisi, in der Mitte König Salman bin Abdulaziz.

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