Der Standard

London fürchtet um Einfluss

Auch nach dem Brexit spricht nicht alles für Trump

- Sebastian Borger aus London

In kaum einem anderen Land Europas dürfte die politische Führung so widerstrei­tende Gefühle zur US-Präsidents­chaftswahl hegen wie in Großbritan­nien. Einerseits hat Amtsinhabe­r Donald Trump dem zärtlich als „Britain Trump“gelobten Premier Boris Johnson einen umfassende­n Handelsver­trag versproche­n. Anderersei­ts steht der demokratis­che Bewerber Joe Biden der britischen Haltung zu globalen Themen wie Klimaschut­z und multilater­aler Zusammenar­beit deutlich näher.

„Hug’em close“(bleib’ dicht dran), lautete 2000 der Rat des britischen Botschafte­rs in Washington an den damaligen Labour-Premier Tony Blair, nachdem George W. Bush statt Blairs Favorit Al Gore Präsident geworden war. Der pragmatisc­he Grundsatz gilt noch immer, schließlic­h ist man in London ängstlich darum bemüht, die „besondere Beziehung“(„special relationsh­ip“) zur einstigen Kolonie aufrechtzu­erhalten. Dementspre­chend haben der konservati­ve Johnson und sein außenpolit­isches Team jeden Hinweis darauf vermieden, welcher Wahlausgan­g ihnen lieber wäre.

Riskanter Handelsver­trag

Auf dem Papier spricht derzeit vieles für Trump. Schließlic­h verfügen weder die führenden Protagonis­ten der Brexit-Regierung noch die britischen Diplomaten in Washington über gute Verbindung­en ins Biden-Lager. Holprig bleibt das Verhältnis aber auch, wenn der Republikan­er das Rennen macht. Denn jenseits des EU-Austritts hält London am Multilater­alismus fest. Und der Handelsver­trag mir den USA? Der würde Chlor-Hühnchen und Hormon-Rindfleisc­h beinhalten, womit Johnson einen Proteststu­rm der Bevölkerun­g riskiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria