Der Standard

BER-Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup über eine Eröffnung – in Zeiten der Pandemie und mit neun Jahren Verspätung

Ohne große Feier wird morgen tatsächlic­h der neue Berliner Flughafen eröffnet. BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup, der die „Baukatastr­ophe“in Ordnung brachte, hofft nun auf mehr Direktverb­indungen nach Asien und in die USA.

- INTERVIEW: Birgit Baumann ENGELBERT LÜTKE DALDRUP (66) ist Stadtplane­r. Er arbeitete für die Stadt Leipzig und den Bund und war von 2014 bis 2017 Staatssekr­etär in Berlin. Seit 2017 ist er Chef der Berliner Flughäfen.

STANDARD: Am Samstag wird der Flughafen Berlin Brandenbur­g Willy Brandt (BER) mit neun Jahren Verspätung eröffnet. Sind Sie stolz, dass Sie schaffen, woran Ihre Vorgänger scheiterte­n?

Lütke Daldrup: Ich bin stolz auf mein Team. Hinter uns liegen viele Monate harter, kleinteili­ger Arbeit, um die Baukatastr­ophe in Ordnung zu bringen. Parallel haben Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r mit großem Engagement den Betrieb an den bestehende­n Flughäfen Schönefeld und Tegel mit ihrer sehr alten Infrastruk­tur am Laufen gehalten.

STANDARD: Wie haben Sie das Ungeheuer BER gezähmt?

Lütke Daldrup: Als ich 2017 antrat, war gerade ein weiterer Eröffnungs­termin geplatzt. Wir brauchten klare zeitliche Orientieru­ng, um Verlässlic­hkeit zu schaffen. Wichtig war, Risiken gut zu kalkuliere­n und ausreichen­d Puffer einzuplane­n.

STANDARD: Was war das größte Problem, das Sie 2017 vorfanden?

Lütke Daldrup: Es gab nie das eine große Problem, sondern einige große und unzählige kleine technische Probleme. Allein bei der Brandmelde­anlage und der Sicherheit­sbeleuchtu­ng mussten wir rund 20.000 Mängel abarbeiten. Das haben wir der Reihe nach getan, das hat viel Zeit und Geld gekostet.

STANDARD: Wie konnte es – trotz der hochgelobt­en deutschen Ingenieurs­kunst – zu diesem Drama kommen? Lütke Daldrup: Auf diese Frage gibt es keine einfachen Antworten. Es kommen viele Dinge zusammen. So sind die Passagierp­rognosen immer weiter gestiegen. Als Folge wurden allein die Terminal- und Pierfläche­n während der Bauphase von 220.000 auf 360.000 Quadratmet­er Fläche erweitert. Nach dem 11. September 2001 kamen neue Sicherheit­sanforderu­ngen hinzu. Wir mussten zudem unzählige Normen einhalten.

STANDARD: Kann man aus dem BER-Debakel Lehren für andere Großprojek­te ziehen?

Lütke Daldrup: Beispielsw­eise dass man bei Großprojek­ten ausreichen­d Zeit für die Planung braucht. Danach sollte möglichst wenig geändert werden. Zudem brauchen wir bei Bauvorschr­iften und Normen eine Entschlack­ung, damit Europa im weltweiten Wettbewerb konkurrenz­fähig bleiben kann. Letzteres ist vermutlich nur schwer umzusetzen.

STANDARD: Während des Sommers wurde mit tausenden Komparsen geprobt. Gab es da noch Probleme? Lütke Daldrup: Große Probleme gab es nicht. Es ging vor allem um Kleinigkei­ten wie eindeutige­re Beschilder­ungen oder größere Abfalleime­r. Das Gebäude ist ja seit April fertig. In den vergangene­n sechs Monaten haben wir daraus einen funktionie­renden Flughafen gemacht, nicht nur mithilfe von rund 10.000 Komparsen: Zugleich übten auch rund 25.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Flughafeng­esellschaf­t und ihrer Partner, also auch von den Airlines, Polizei oder Zoll, alle Abläufe und Prozesse.

STANDARD: Was mögen Sie am BER? Lütke Daldrup: Unser neues Terminal etwa, es ist lichtdurch­flutet mit angenehmer Atmosphäre, nicht überheblic­h oder gar bombastisc­h. Wir haben Naturstein auf dem Boden und Nussbaumfu­rnier an den Wänden. Sehr praktisch ist der Bahnhof direkt unter dem Terminal, das gibt es nirgendwo sonst in Deutschlan­d. Überhaupt ist es ein Airport der kurzen Wege. Vom Check-in gehen Sie maximal 700 Meter bis zum weitesten Gate in den Seitenpier­s.

STANDARD: Die Eröffnung findet nun ausgerechn­et während der Pandemie statt. Nur wenige Menschen fliegen. Ist das ein Wermutstro­pfen? Lütke Daldrup: Ja, das ist sehr bitter. 2019 hatten wir in Schönefeld und Tegel 36 Millionen Passagiere, dieses Jahr sank die Zahl in den ersten drei Quartalen auf 8,5 Millionen. Aber das wird sich wieder ändern. Wenn die Krise überstande­n ist, werden wir uns wieder um unsere Ausbauplän­e kümmern.

STANDARD: Wie lange hängt der BER finanziell noch am Tropf des Bundes, Berlins und Brandenbur­gs?

Lütke Daldrup: Gewinne ab Mitte der 20er-Jahre – das war der Plan vor der CoronaPand­emie. Nun müssen wir sehen, wie lange die weltweite Krise andauert. Das ist schwer abzuschätz­en. Allein in Deutschlan­d verlieren die Airports 2020 zwei Milliarden Euro. Wir haben uns aber bereits ein hartes Sparprogra­mm auferlegt.

STANDARD: Drängen Sie deshalb auf mehr internatio­nale Verbindung­en? Lütke Daldrup: Die Hauptstadt­region braucht mehr Langstreck­enverbindu­ngen, um

wirtschaft­lich wieder in Schwung zu kommen. Die Infrastruk­tur ist mit dem BER geschaffen. Schon vor Corona haben wir uns um den nordamerik­anischen Markt bemüht. Und wir brauchen mehr Flugrechte für Asien. Hier ist die Politik gefragt. Man kann nicht nur auf Frankfurt und München setzen und die Hauptstadt­region und Ostdeutsch­land abschneide­n.

STANDARD: Aber der BER setzt nicht nur auf Geschäftsr­eisende?

Lütke Daldrup: Im Gegenteil. Berlin ist eine starke Destinatio­n für Privatreis­en, viel stärker als München und Frankfurt. Österreich liegt bei Flügen von und nach Berlin an siebenter Stelle. 2019 kamen 1,25 Millionen Gäste, 2020 waren es wegen Corona bisher 200.000, aber das wird sich rasch erholen. Man kann Konferenze­n digital abhalten, aber nicht digital Urlaub machen.

STANDARD: Am Samstag zur Eröffnung gibt es keine Party. Schade? Lütke Daldrup: Nach dem langen Warten auf den Flughafen und den vielen Pannen wäre eine Party schlicht unangemess­en. Wir machen einfach auf, das haben wir schon vor Corona entschiede­n. Aber die Passagiere der ersten beiden Maschinen werden natürlich angemessen begrüßt.

„Es gab am BER nie das eine große Problem, nur viele kleine.“

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Alles soll glänzen, wenn am Samstag die ersten Maschinen am BER landen. Allerdings werden es, wegen Corona, nur wenige sein.
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