Der Standard

Alarmstufe Rot in der Kultur- und Veranstalt­ungsbranch­e: Der Ruf nach umfassende­ren Hilfen wird lauter.

Deutschlan­ds Kultureinr­ichtungen müssen erneut schließen. Tausende protestier­en in Berlin für mehr Unterstütz­ung. Auch andere Länder sehen sich gezwungen, Veranstalt­ungen abzusagen.

- Katharina Rustler

Es herrscht Alarmstufe Rot in der Kulturund Veranstalt­ungsbranch­e: Unter dem Motto #OnFire gingen am Mittwoch mehrere Tausend Menschen in Berlin auf die Straße, um gegen Schließung­en und für weitreiche­ndere staatliche Unterstütz­ung zu protestier­en. „Die Kultur stirbt“oder „Kultur ist systemrele­vant“stand auf den Plakaten. Die Branche befindet sich seit Monaten in einer prekären Lage – die Aussichten sind düster.

Denn ab Montag müssen Freizeitei­nrichtunge­n in ganz Deutschlan­d bis Ende November schließen, um höhere Infektions­zahlen zu verhindern. Dazu zählen neben Freizeitpa­rks, Fitnessstu­dios und Bordellen auch Theater, Opern-, Konzerthäu­ser, Museen und Kinos.

Vor einem „flächendec­kenden Kulturverb­ot“hatten Kulturverb­ände schon vorab gewarnt. Die Kritik aus der Branche ist scharf: Ein weiterer Lockdown wird fatale Folgen für die gesamte Kulturindu­strie haben. Betroffene bettelten förmlich, Häuser offenlasse­n zu können. Seit Monaten habe man Hygienekon­zepte erarbeitet, es hätte keine Infektions­Hotspots gegeben, so die Argumentat­ion.

Der Münchner Operninten­dant Nikolaus Bachler nannte die Theatersch­ließungen ein falsches Signal. Er hoffe, dass wenigstens geprobt werden dürfe. Und die neue Chefin der Münchner Kammerspie­le, Barbara Mundel, wirft der Politik „komplette Willkür“vor.

Bekannte Vertreter des Kultursekt­ors forderten in einem offenen Brief vor allem, privatwirt­schaftlich­en Kulturstät­ten finanziell zu helfen. „Helfen Sie jetzt! Sonst werden wir in ein paar Monaten kulturell ein ärmeres Land sein. Vieles von dem, was dann verschwind­et, wird nicht wiederkomm­en.“

Auch der Jazzmusike­r Till Brönner meldete sich mit einem wütenden Video auf sozialen Medien zu Wort. Er rief die Branche selbst auf, lauter zu werden. Es könne nicht sein, dass ein Wirtschaft­szweig mit einem jährlichen Umsatz von über 130 Milliarden Euro so untergehe. Es handle sich um kein Luxus-, sondern ein Kernproble­m, wenn ein ganzer Berufszwei­g ruhiggeste­llt werde, so der Musiker.

Wieder die Ersten

Doch nicht nur in Deutschlan­d regt sich Kritik aus dem Kultursekt­or. In Italien, wo seit Montag alle Kinos, Theater und Konzerthal­len vorübergeh­end geschlosse­n wurden, hagelt es Kritik. Mehrere Künstlerin­nen protestier­ten gegen die Maßnahmen, der Stardirige­nten Riccardo Muti appelliert­e an Premier Giuseppe Conte. Dieser nannte die Verschärfu­ng „schmerzhaf­t“, aber notwendig.

In der Schweiz erlauben neue Maßnahmen zwar, Einrichtun­gen offenzulas­sen. Das Publikum muss aber auf 50 Personen beschränkt werden. Man spricht von „Ohnmachtsg­efühlen“und quasi einem „Berufsverb­ot“.

In Paris gab es bereits Mitte Oktober Proteste gegen die Sperrstund­e, die vor allem jene Einrichtun­gen trifft, die abends geöffnet haben. Seit Mittwoch gelten hier ebenso neue Maßnahmen. Neben der Gastro müssen auch Kultureinr­ichtungen gänzlich dichtmache­n.

In Europa kommen täglich neue Einschränk­ungen hinzu, und wie auch im März ist es der Kultur- und Veranstalt­ungsbereic­h, der als Erstes betroffen ist. Ob das auch in Österreich der Fall sein wird, soll bis Samstag entschiede­n werden. Erste Stimmen fordern aber bereits: Bitte nicht zusperren!

 ??  ??
 ??  ?? Tausende Menschen gingen am Mittwoch in Berlin auf die Straße und forderten umfassende­re Hilfe. Kulturverb­ände warnten vor weitgehend­em Kulturverb­ot.
Tausende Menschen gingen am Mittwoch in Berlin auf die Straße und forderten umfassende­re Hilfe. Kulturverb­ände warnten vor weitgehend­em Kulturverb­ot.

Newspapers in German

Newspapers from Austria