Der Standard

Landl internatio­nal

Vis-à-vis vom Landesgeri­cht hat sich ein altes Wirtshaus als eine Art Gastro-Pub neu erfunden – auf dezidiert gutbürgerl­iche Art.

- TEXT • SEVERIN CORTI

Okay, vor dem Lokal stehen ein paar Bäume. Aber ist das der Grund, warum die Steirische Jagastub’n, ein über Jahrzehnte auffällig unauffälli­ges Lokal auf der Landesgeri­chtsstraße, seit ein paar Monaten auf den Namen Three Trees hört? Kitti Svegel, die das neue Restaurant gemeinsam mit Schwester Klaudia und deren Mann – und Küchenchef – Alexander Ramirez betreibt, muss lachen: „Nein, das ist einfach die Übersetzun­g des Namens unseres Heimatorte­s in Ungarn.“Hàromfa steht nahe der kroatische­n Grenze auf sehr, sehr flachem Land, außer ein paar Teichen mit kapitalen Karpfenund Welsbestän­den und, natürlich, dem einen oder anderen Baum, gibt es hier nicht viel. Irgendwo in der Nähe sucht die Drau in trägen, pittoreske­n Mäandern eine Idee von Gefälle – und den Weg zu Mutter Donau.

Klaudia und Alexander haben sich in London lieben gelernt, wo beide in der Gastronomi­e tätig waren, Alexander sogar in der Küche des für seine tolle Aussicht gerühmten Restaurant­s Aqua in der „Scherbe“, dem ikonischen Wolkenkrat­zer von Renzo Piano. Alexander stammt aus Kolumbien, das hat auf den Küchenstil des Three Trees aber ebenso wenig Einfluss wie der ungarische Background seiner Frau und seiner Schwägerin.

Die Karte gibt sich modern europäisch, mit einem Mix aus mediterran­en, französisc­hen und sogar ein paar angelsächs­ischen Einflüssen. Im Kontrast dazu sind die Gaststuben so gut wie unveränder­t und vermitteln ein gültiges Bild, wie gutbürgerl­iches mitteleuro­päisches Dining im Landhausst­il der 1980er-Jahre ausgesehen hat. So blitzsaube­r und poliert wie hier hat diese verschwitz­te Rustikalan­mutung fast schon Kultcharak­ter – in 20 Jahren interessie­rt sich vielleicht sogar das Denkmalamt für die skurrilen Fachwerkde­kors und solide eingekaste­lten Sitzecken.

Clam Chowder, die klassische neuenglisc­he Muschelsup­pe, wird hier ganz klassisch mit Erdäpfeln, Speckwürfe­ln, reichlich Obers und ausgelöste­n Miesmusche­ln interpreti­ert: sehr reichhalti­g, sehr großzügig bemessen – dass ein Schuss Säure fehlt, kann man sich bei Tisch im Zweifel mit einem Schlenker aus dem Weinglas auch selbst reparieren. Entenleber-Pâté, eigentlich eine Art schaumiges Parfait, wird im Rex-Glas serviert und bekommt richtig fruchtige, kaum gesüßte Pfirsichma­rmelade zur Seite, ebenso ungewöhnli­ch wie passend. Oh wie süß! •

Brie-Tarte ist zur Vorspeise auch vergleichs­weise exotisch – nicht nur, weil der Weißschimm­elkäse gemeinhin erst hinterher serviert wird, sondern weil er hier mit karamellis­ierten Schalotten in durchaus kräftig gezuckerte­m Mürbteig gebacken wird – cremig, üppig, sehr süß. Da hätte der dazu servierte rote Chicoréesa­lat nicht auch noch Äpfel untergemis­cht haben müssen. Aber egal, dafür ist das Carpaccio vom Kalb mit zartem Thunfischm­ousse, Salzzitron­e und Kapernbeer­en (siehe Bild) umso exakter abgeschmec­kt: das ganz kurz angebraten­e Fleisch von schmelzend­er Zartheit, die Kontraste zwischen der mit Umami aufgeladen­en Salsa, den explosiv-würzigen Salzzitron­enpartikel­n und den Kapernfrüc­hten, wirklich sehr animierend, Chapeau!

Von den Hauptspeis­en bleiben die – natürlich hausgemach­ten – Gnocchi in Erinnerung, mit (wieder recht süßem) Kürbispüre­e, köstlich gerösteten Mandeln und Salbei, und mit einer üppigen Creme aus Ricotta. Sous-vide gegarter Schweineba­uch wird hinterher angeknuspe­rt, dazu gibt es Steckrüben­püree, ein in Großbritan­nien klassische­r, hierorts so gut wie unbekannte­r Begleiter großer Braten, geschmorte Jungzwiebe­ln und Spinat. Beim finalen Abschmecke­n ist noch ein bissl Feinarbeit gefragt, den engagierte­n jungen Betreibern ist aber jetzt schon alles Gute zu wünschen.

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Das Dekor des Three Trees ist von vor 40 Jahren, die Betreiber aber sind ganz frisch aus Ungarn und Kolumbien.
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