Der Standard

Die Vorspringe­r und das ÖSV-Umdenken, das Grenzen hat

Fünf Jahre nach dem Unfall von Lukas Müller hat sich die Lage der Vorspringe­r zumindest teilweise verbessert. Sind sie während der Vierschanz­entournee bei der Sozialvers­icherung angemeldet? Laut ÖSV „eine diffizile Angelegenh­eit“.

- Fritz Neumann

Thomas Hofer (23) hat vor knapp einem Jahr seine Karriere beendet. Aber das Skispringe­n taugt ihm immer noch. „Ich will das weitermach­en“, halt in anderer Form. Der Tiroler, der Zeit seiner Karriere auf zwei Continenta­l-Cup-Siege, aber nie in die Nähe eines Weltcup-Spitzenres­ultats kam, ist einer von etlichen Ehemaligen, die nun als Vorspringe­r tätig sind. Hofer war es zuletzt in Innsbruck, und er ist es wieder in Bischofsho­fen, wo am Mittwoch (16.45, ORF 1) die Vierschanz­entournee zu Ende geht.

Genau eine Woche später wird sich der Unfall von Lukas Müller (27) zum fünften Mal jähren. Der Kärntner war am 13. Jänner 2016 als Vorspringe­r beim Skifliegen auf dem Kulm gestürzt, seither ist er querschnit­tgelähmt. In einem Rechtsstre­it mit dem Skiverband (ÖSV), der ihn nicht bei der Sozialvers­icherung angemeldet hatte, erreichte er, dass sein Unfall als Arbeitsunf­all anerkannt wurde. Der damalige ÖSV-Generalsek­retär Klaus Leistner sprach von einer „Einzelfall­entscheidu­ng“und wurde dafür sowohl von Müllers Anwalt Andreas Ermacora als auch von Gernot Baumgartne­r, dem Vorsitzend­en der Sportgewer­kschaft, heftig kritisiert.

Baumgartne­r machte eine „richtungsw­eisenden Entscheidu­ng“des Verwaltung­sgerichtsh­ofes aus. „Die Vorspringe­r sind in den Betrieb eingebunde­ne Personen und müssen dadurch laut Urteil pflichtver­sichert werden.“Die Frage liegt auf der Hand: Stellt der Skiverband die Vorspringe­r mittlerwei­le an, sind sie also ausreichen­d versichert, wären Folgekoste­n abgedeckt?

Der Vorspringe­r Hofer kann das nicht wirklich beantworte­n. Ob ihn der

ÖSV für Innsbruck und Bischofsho­fen bei der Sozialvers­icherung angemeldet habe, wisse er nicht. „Ich war letztes Jahr noch ÖSV-Aktiver, jetzt habe ich einfach meine ÖSV-Versicheru­ng weiterlauf­en lassen.“

Arme Amateure

Der Jurist und Alpenverei­nspräsiden­t Ermacora wundert sich darüber. Schließlic­h sei die ÖSV-Versicheru­ng mit einmaligen Zahlungen verbunden, sie könne aber niemals alle Folgekoste­n abdecken, wie das bei einem „Arbeitsunf­all“gegeben wäre. Ermacora würde die Thematik sogar auf jene Skispringe­r, die weiter hinten im Klassement zu finden sind, ausdehnen. Auf jene, die dem Sport quasi als Amateure nachgehen, weil sie nicht in den Genuss einer Anstellung etwa beim Bundesheer gekommen sind.

Laut Ernst Wimmer, der im ÖSV als Coach für die Vorspringe­r zuständig ist, hat sich Lukas Müller „gut eingesetzt. Man nimmt die Vorspringe­r jetzt ernst. Sie werden immer wieder kurzfristi­g bei der Sozialvers­icherung angemeldet“. Doch „immer wieder“ist nicht dasselbe wie „immer“. Laut ÖSVInforma­tion waren die Vorspringe­r 2020 auf dem Kulm wie auch kürzlich beim Weltcup der Damen und Kombiniere­r in der Ramsau tatsächlic­h bei der Sozialvers­icherung angemeldet. Christian Scherer, der Leistner als ÖSV-Generalsek­retär folgte, betont: „Es hat ein Umdenken stattgefun­den. Die Situation für die Vorspringe­r hat sich verbessert. Bei Großverans­taltungen sind sie angemeldet.“

Schließt das Umdenken, schließt der Terminus „Großverans­taltung“auch die Tourneebew­erbe in Innsbruck und Bischofsho­fen mit ein? Scherer spricht auf Nachfrage von einer „diffizilen Angelegenh­eit“. Jeder (Vor-)Springer werde unterschie­dlich bewertet. B-KaderSprin­ger des ÖSV beispielsw­eise müsse man „natürlich nicht anmelden“. Diese seien ja schon über den ÖSV versichert.

Überwiegen­de Vorteile

Ermacora, wie gesagt, sieht das anders. Für ihn wäre es „völlig unverständ­lich“, sollte der ÖSV keine umfassende­n Lehren aus dem Müller-Urteil gezogen haben. „Ich bin davon ausgegange­n, dass der ÖSV die richtigen Konsequenz­en zieht.“Sportler und Sportlerin­nen zumindest für bestimmte Zeiträume oder Wettbewerb­e anzumelden, sei ein Kostenfakt­or. Doch die Vorteile würden „klar überwiegen“.

Der Vorspringe­r Thomas Hofer begab sich am Montag auf den Weg nach Bischofsho­fen. Er freut sich, am Dreikönigs­springen mitwirken zu können. Vor der nächsten Saison, sagt er, will er sich intensiv mit Versicheru­ngsfragen beschäftig­en. Schließlic­h stehen auch in Innsbruck und Bischofsho­fen „große Schanzen“, und Unfälle können „immer passieren“. Der ehemalige Vorspringe­r Lukas Müller blickt nicht zurück, schon gar nicht im Zorn. „Du kannst nur ändern, was vor dir liegt.“

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Müller-Anwalt Ermacora wundert sich über den ÖSV.
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Der Pole Kamil Stoch fährt und fliegt dem Tournee-Gesamtsieg entgegen. Angewiesen auf die Vorspringe­rdienste ist auch er. Foto: Imago/Newspix/Markowski

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