Der Standard

Warum Hunde nur ein paar Wörter verstehen

Die Vierbeiner sind hochsensib­el für unsere Kommunikat­ion. Warum sie dennoch nur eine begrenzte Anzahl an Wörtern unterschei­den können, haben Biologen nun herausgefu­nden.

- David Rennert

Hunde verfügen über einen exzellente­n Hörsinn, der jenen des Menschen bei weitem in den Schatten stellt: Die Vierbeiner hören in Frequenzen, die wir längst nicht mehr wahrnehmen können. Die Fähigkeit vieler Hunderasse­n, ihre Ohrmuschel­n gezielt auf eine Geräuschqu­elle auszuricht­en, verhilft zu einer dreidimens­ionalen Geräuschor­tung und verbessert die Empfindlic­hkeit ihres Gehörs zusätzlich. Dennoch entgehen ihnen phonetisch­e Feinheiten der menschlich­en Sprache, wie ungarische Forscher kürzlich herausgefu­nden haben.

Biologen wissen seit langem, dass Hunde im Lauf der Evolution ein feines Sensorium für die menschlich­e Stimme entwickelt haben. Sie können aus Stimmlage und Tonfall ihrer Besitzer erkennen, ob sie gerade gelobt oder geschimpft werden. Sie nehmen also auch soziale Informatio­nen wahr, die über Stimmen und Geräusche transporti­ert werden.

Wie Experiment­e zeigen, verarbeite­n die Vierbeiner Sprache im Gehirn sogar auf ähnliche Weise wie Menschen: Die linke Hirnhälfte ist für die Verarbeitu­ng der Bedeutung der einzelnen Wörter zuständig, die rechte Hirnhälfte reagiert hingegen auf die Intonation. Anschließe­nd kommt es zur Synthese von Inhalt und Intonation.

Die Anpassung von Hunden an unsere Kommunikat­ion ist nicht ganz überrasche­nd, immerhin begleiten die domestizie­rten Wölfe unsere Spezies seit mindestens 15.000, vielleicht sogar schon seit 30.000 Jahren, wie archäologi­sche Funde zeigen.

Begrenzter Wortschatz

Trotz ihres grandiosen Gehörs und der erstaunlic­hen Sprachvera­rbeitung können Hunde im Laufe ihres Lebens die Unterschei­dung von nur relativ wenigen Wörtern erlernen. Warum das so ist, haben kürzlich Forscher um Lilla Magyari von der Universitä­t Budapest genauer untersucht. Wie sie im Fachblatt Royal Society Open Science berichten, dürfte das vor allem einen Grund haben: Hunde achten einfach nicht auf kleine Lautunters­chiede zwischen einzelnen Wörtern.

Für ihre Studie untersucht­en Magyari und ihre Kollegen unterschie­dliche Familienhu­nde mittels Elektroenz­ephalograf­ie (EEG), einer gängigen nichtinvas­iven Methode zur Messung der elektrisch­en Aktivität des Gehirns. „Die Elektroenz­ephalograf­ie misst aber nicht nur Gehirnakti­vität, sondern auch Muskelbewe­gungen. Deshalb mussten wir sicherstel­len, dass die Hunde ihre Muskeln während der Messung so wenig wie möglich anspannten“, sagte Magyari.

Auf Beruhigung­smittel wurde in der Studie aber verzichtet, stattdesse­n luden die Forscher die Hunde und ihre Besitzer gemeinsam ins Labor ein und versuchten, eine möglichst entspannen­de Atmosphäre zu schaffen.

Befehle aus der Konserve

Sobald sich die Tiere an die Situation gewöhnt hatten und zur Ruhe gekommen waren, brachten die Forscher Elektroden an ihren Köpfen an und begannen, die Gehirnströ­me zu messen. Nun wurden den Hunden aufgezeich­nete Anweisunge­n vorgespiel­t, die sie bereits kannten: etwa Befehle wie „Sitz!“und „Platz!“, freilich auf Ungarisch.

Dazwischen kamen leicht abgewandel­te Befehle, die ähnlich klangen, aber keinen Sinn ergaben, zum Beispiel „Sutz!“und „Pletz!“. Die dritte Kategorie umfasste wiederum völlig erfundene Wörter, wie beispielsw­eise „Bep!“.

Die Auswertung der gemessenen Gehirnakti­vitäten brachte ein recht eindeutige­s Ergebnis. Die EEGDaten zeigten, dass die Hunde schnell und klar bekannte Befehle von frei erfundenen Wörtern wie „Bep“unterschei­den konnten. Die Reaktionsz­eit ähnelte dabei der von Menschen in vergleichb­aren Untersuchu­ngen, berichten die Biologen: Es dauerte gerade einmal 200 Millisekun­den, bis sich die Reaktion im EEG niederschl­ug.

Wurde den Tieren ein Wort vorgespiel­t, das einem bekannten Befehl bis auf einen Laut glich („Pletz“), reagierten sie hingegen genau wie bei dem richtigen Wort („Platz“). Der phonetisch­e Unterschie­d war ihnen also offenbar entgangen.

„Dieses Muster ähnelt den Ergebnisse­n von Experiment­en mit Säuglingen im Alter von etwa 14 Monaten. Die Fähigkeit, phonetisch­e Details von Wörtern effizient verarbeite­n zu können, die eine wichtige Voraussetz­ung für die Entwicklun­g eines großen Wortschatz­es ist, entwickelt sich bei Kindern im Alter zwischen 14 und 20 Monaten“, schreiben die Wissenscha­fter.

Parallelen zu Säuglingen

Dahinter stecke jedoch keine Wahrnehmun­gsbeschrän­kung, Babys könnten bereits nach wenigen Wochen Laute voneinande­r unterschei­den. Ihre Aufmerksam­keitsspann­e und die Verarbeitu­ngsfähigke­it des Wahrgenomm­enen reiche aber noch nicht aus, um die Unterschie­de ähnlich klingender Wörter zu erfassen – und das dürfte bei Hunden ebenso der Fall sein, wie die Forscher vermuten.

„Hunde kümmern sich möglicherw­eise einfach nicht um alle phonetisch­en Details, wenn sie Wörter hören“, so Magyari. Weitere Untersuchu­ngen sollen zeigen, ob dies ein Grund sein könnte, warum Hunde sich im Zusammenle­ben mit dem Menschen kein größeres Vokabular aneignen können.

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Dem braven Vierbeiner ist es egal, ob er ein „guter Hund“oder ein „giter Hand“ist, wie Experiment­e nahelegen. Ob er gelobt oder geschimpft wird, erkennt er am Tonfall seines Menschen.

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