Der Standard

Arbeitslos­igkeit beißt sich fest

Laut einer Auswertung des Momentum-Instituts waren mit Jahreswech­sel fast 172.000 Menschen in Österreich langzeitar­beitslos. Viele der Betroffene­n dürften vom Aufschwung nach Corona kaum bis gar nicht profitiere­n.

- Aloysius Widmann

Am Arbeitsmar­kt wird es schwierig, wenn einmal der Anschluss verloren ist. Langzeitar­beitslose finden deutlich schwerer einen Job als solche Arbeitslos­e, die noch vor wenigen Wochen oder Monaten gearbeitet haben. Die Erklärung ist simpel und zeigt einen Teufelskre­is auf: Wer länger auf Arbeitssuc­he ist, verliert Selbstvert­rauen, baut Qualifikat­ion ab, zieht sich oft aus dem sozialen Leben zurück – und bleibt ohne Job.

Die Gefahr ist groß, dass die Corona-Krise viele Menschen in Österreich in dieses Dilemma stößt. Denn wie das gewerkscha­ftsnahe Momentum-Institut ausgewerte­t hat, ging das Corona-Jahr 2020 mit einem neuen Rekord in Sachen Langzeitar­beitslosig­keit zu Ende. Demnach waren zum Jahreswech­sel 171.191 Menschen seit mehr als zwölf

Monaten auf Jobsuche. Seit Beginn der Finanzkris­e 2009 hat sich die Langzeitar­beitslosig­keit verdreifac­ht, der bisherige Höchststan­d fiel auf den Februar 2017 mit fast 165.000 Langzeitar­beitslosen.

Dass das Momentum-Institut nicht nur Arbeitslos­e in seine Berechnung inkludiert, die beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) gemeldet sind, sondern auch Schulungst­eilnehmer und andere Beschäftig­ungslose, beeinfluss­t die Kernaussag­e der Studie nicht: Die Langzeitar­beitslosig­keit hat nach sämtlichen gängigen Zählweisen ein Rekordhoch erreicht.

Männer häufiger betroffen

Besonders häufig von Langzeitar­beitslosig­keit sind Männer über 55 betroffen. Allerdings gab es in dieser Altersgrup­pe seit dem Ausbruch der Pandemie die geringsten Zuwächse unter allen Altersgrup­pen. Die Langzeitar­beitslosig­keit der über 55-Jährigen stieg schon nach der Finanzkris­e rasant an und ging seither nur noch marginal zurück.

Den größten Zuwachs der Langzeitar­beitslosig­keit hat die Pandemie bei Menschen im Haupterwer­bsalter – also zwischen 25 und 44 Jahren – gebracht. Beim Momentum-Institut fürchtet man nun, dass vielen der Betroffene­n eine lange und womöglich sogar vergeblich­e Arbeitssuc­he droht. Denn vergangene Krisen hätten gezeigt, dass ein magerer Aufschwung der Wirtschaft zu wenige Jobs schaffen würde, um die Langzeitar­beitslosig­keit wieder nachhaltig zu senken.

Der Thinktank fordert vom Bund eine umfassende Beschäftig­ungsaktion für Langzeitar­beitslose, die den wirtschaft­lichen Aufschwung nach der Krise begleiten soll. Als Beispiel führen die Studienaut­oren die von der türkis-blauen Regierung beendete Aktion 20.000 an.

150.000 solcher Arbeitsplä­tze bei Gemeinden oder gemeinnütz­igen Vereinen würden den Bund demnach maximal 1,34 Milliarden Euro kosten. Allerdings glauben die Studienaut­oren, dass nicht alle Langzeitar­beitslosen Interesse an einem geförderte­n Job haben, viele würden lieber auf dem regulären Jobmarkt nach einer Beschäftig­ung suchen. Deshalb würden 50.000 bis 100.000 Stellen reichen.

Als zweite Maßnahme fordern die Ökonomen, dass der Staat öffentlich­e Dienstleis­tungen ausbaut und so Stellen schafft. Für Langzeitar­beitslose, aber auch für alle anderen Arbeitslos­en sei das wichtig. Zum Jahreswech­sel war mehr als eine halbe Million Menschen ohne Job.

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Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, verliert nicht nur Einkommen. Auch die Chancen auf Wiedereins­tellung sinken stark.

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