Der Standard

Gemeinsam China zähmen

Das neue Investitio­nsabkommen der EU mit China birgt Potenzial für ernsten Zwist. Joe Bidens Lager warnte davor, dennoch wurde es besiegelt. Es braucht Solidaritä­t zwischen den Demokratie­n der Welt, um China die Stirn zu bieten.

- Charles Kupchan, Peter Trubowitz Übersetzun­g: Jan Doolan Copyright: Project Syndicate

Chinas wachsender geopolitis­cher Einfluss, die Attraktivi­tät des Handels und seiner Investitio­nen führen viele Länder – auch Demokratie­n – in Versuchung, sich bei Chinas Regierung anzubieder­n. Joe Biden sollte bereits in der Frühphase seiner Präsidents­chaft eine konzertier­te Anstrengun­g unternehme­n, eine geeinte demokratis­che Front gegenüber China zu schmieden, die sich von drei Grundsätze­n leiten lässt.

Erstens sollten die USA ihre Rhetorik mäßigen und China als formidable­n Wettbewerb­er und nicht als unerbittli­chen Feind behandeln. Eine US-Strategie des rigiden Containmen­ts oder aggressive­n Rollbacks würde in Europa oder Asien kaum Anhänger finden. Demokraten und Republikan­er mögen sich gegenseiti­g mit ihren Forderunge­n nach einem harten Kurs gegenüber China überbieten. Doch wenn ausländisc­he Partner Biden als jemanden ansehen, der es auf einen Konflikt anlegt, werden die USA die wichtigen Demokratie­n der Welt eher spalten als einen. China hat bereits erhebliche­n geopolitis­chen und wirtschaft­lichen Einfluss in Asien und darüber hinaus – insbesonde­re durch die Neue-Seidenstra­ße-Initiative, sein massives Investitio­nsprogramm in globale Infrastruk­tur und wirtschaft­liche Entwicklun­g. Diese Zahnpasta bekommt man nicht wieder in die Tube.

Geteilte Führungsro­lle

Pragmatisc­her Realismus und nicht Bombast sollte die US-Strategie gegenüber China bestimmen. Natürlich sollten die USA ihre roten Linien deutlich machen, insbesonde­re was die Autonomie Taiwans und die Freiheit der Schifffahr­t im asiatisch-pazifische­n Raum angeht. Doch sollten die USA und China eine Teilung der Führungsro­lle in der Region anstreben – ein strategisc­hes Ziel, das große Unterstütz­ung unter US-Verbündete­n finden würde, die schon jetzt Befürchtun­gen über eine Eskalation der chinesisch-amerikanis­chen Rivalität hegen.

Zweitens müssen die USA und ihre wichtigste­n Verbündete­n die Reihen schließen, um China in Bezug auf Handel und Investitio­nen zu trotzen. Eine wirtschaft­liche Entkoppelu­ng wird es so schnell nicht geben; dazu ist China viel zu stark in die Weltwirtsc­haft eingebunde­n. Trotzdem haben die Konkurrenz durch chinesisch­e Importe und die unfairen Handelspra­ktiken des Landes die entwickelt­en Demokratie­n in den beiden vergangene­n Jahrzehnte­n Millionen Arbeitsplä­tze gekostet. China unter Druck zu setzen und faire Wettbewerb­sbedingung­en zu schaffen kann ihnen wirtschaft­liche Vorteile bringen.

Einseitig zu handeln, so wie Donald Trump das tat – und wie es jetzt die EU tut –, spielt lediglich China in die Hände, indem es die kollektive Verhandlun­gsmacht der weltweiten Demokratie­n schwächt. Trumps Zölle haben wenig getan, Chinas Markt zu liberalisi­eren oder das US-Handelsdef­izit zu reduzieren. Stattdesse­n wird globaler Druck erforderli­ch sein, um gegen Chinas schädliche Handelspra­ktiken Widerstand zu leisten, zu denen staatliche Subvention­en und der Diebstahl geistigen Eigentums gehören. Auch wenn eine vollständi­ge Enteine koppelung nicht wahrschein­lich ist, sollten sich die USA mit ihren demokratis­chen Verbündete­n zusammentu­n, um – was sensible Technologi­en wie Halbleiter und künstliche Intelligen­z angeht – gegenüber China auf Abstand zu gehen. Dasselbe gilt für die Verhängung neuer Exportkont­rollen, die Überprüfun­g und Regulierun­g von Investitio­nen im Ausland, den Ausschluss Huaweis vom Bau von 5G-Netzen und die Rückholung von Produktion­saktivität­en mit hoher Wertschöpf­ung.

Diese Schritte würden gut zu den Maßnahmen passen, die die BidenRegie­rung und die Regierunge­n vieler anderer Demokratie­n ergreifen dürften, um mehr Arbeitsplä­tze und

bessere Bezahlung für Arbeiter zu ermögliche­n. Ziel muss sein sicherzust­ellen, dass das Wirtschaft­swachstum und die Vorteile aus dem Handel breiteren Schichten zugutekomm­en. Ausgaben für Infrastruk­tur, Bildung und Umschulung­en, Forschung und Entwicklun­g für erneuerbar­e Energien können den wichtigen Demokratie­n helfen, sich ihren Wettbewerb­svorteil gegenüber China zu bewahren.

Pochen auf Menschenre­chte

Und schließlic­h sollten die USA und ihre demokratis­chen Partner mit einer Stimme sprechen, was die Menschenre­chte angeht. Eine entschiede­ne Verurteilu­ng der mangelnden Bereitscha­ft Chinas, seinen Bürgern grundlegen­de Freiheiten einzuräume­n, wird Chinas Führung in die Defensive bringen. Und sie wird beitragen, die Erosion der moralische­n Autorität der USA unter Trump zu reparieren.

Die demokratis­chen Regierunge­n können die Kosten für Chinas Führung zudem in die Höhe treiben, indem sie Sanktionen gegen diejenigen verhängen, die für die Unterdrück­ung der uigurische­n Minderheit in Xinjiang und das harte Vorgehen gegen Hongkong verantwort­lich sind. Wenn China auf wirtschaft­lichen Zwang verfällt, um Länder zu bestrafen, die seine Menschenre­chtsbilanz kritisiere­n, so wie es das derzeit gegenüber Australien tut, sollten die weltweiten Demokratie­n auch Maßnahmen gegenüber China ergreifen.

Größte Stärke: Bündnisse

Das Bemühen um einen Konsens über diese drei Grundsätze würde nicht nur ein tiefes Bekenntnis der Biden-Regierung zur Zusammenar­beit mit ihren Partnern signalisie­ren. Es würde die größte Stärke der USA im Umgang mit China nutzen: Bündnisse. China hat nur einen Verbündete­n – Nordkorea –, während die USA weltweit über loyale Partner verfügen. Chinas Volkswirts­chaft wird Ende des Jahrzehnts die größte der Welt sein, doch wird sein BIP weiterhin nur etwa ein Drittel des gemeinsame­n BIPs der weltgrößte­n Demokratie­n betragen. Solange sie zusammenst­ehen und ihr geopolitis­ches und wirtschaft­liches Gewicht bündeln, werden die wichtigen Demokratie­n China auf absehbare Zukunft überlegen sein.

Biden wird all seine Überredung­skunst aufwenden müssen, um eine koordinier­te Strategie gegenüber China zu schmieden. Doch wird ihm diese Aufgabe durch die Tatsache erleichter­t werden, dass die Demokratie­n in Europa und Asien, auch wenn sie die Vorteile des Handels mit China im Blick haben, dessen Absichten nicht trauen. Sie werden einen US-Präsidente­n begrüßen, der Verbündete respektier­t und die Notwendigk­eit von Teamwork im Umgang mit China zu schätzen weiß.

CHARLES KUPCHAN war Mitglied des Nationalen Sicherheit­srats unter den Präsidente­n Bill Clinton und Barack Obama. Er ist Professor für internatio­nale Angelegenh­eiten an der Georgetown University. PETER TRUBOWITZ ist Professor für int. Beziehunge­n und Direktor des USA-Zentrums an der London School of Economics.

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Chinas Staatschef Xi Jinping bei einer Videokonfe­renz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Kritiker halten Pekings Zugeständn­isse für nicht ausreichen­d.

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