Baustellen des neuen Arbeitsministers
Die Fallhöhe ist beträchtlich: Inmitten der schwersten Jobkrise übernimmt der renommierte Ökonom Martin Kocher das Arbeitsministerium. Die erste große Reform, die fix ansteht, betrifft das Kurzarbeitsgeld. Und die Langzeitarbeitslosigkeit wird ein immer größeres Problem. Die zentralen Baustellen im Überblick.
Auf den ersten Blick hat Martin Kocher eines der wichtigsten Ministerien der Republik übernommen. Der am Montag angelobte Ökonom verantwortet mit dem Arbeitsressort ein Megabudget: In seine Zuständigkeit fallen allein heuer Ausgaben in Höhe von mehr als 10,5 Milliarden Euro. Das entspricht zehn Prozent der gesamten staatlichen Auszahlungen 2021.
Doch bei näherer Betrachtung ist der Spielraum des Ministers beschränkt – für Kochers glücklose Vorgängerin Christine Aschbacher (ÖVP) blieb nicht mehr übrig, als eine Vermittlerrolle einzunehmen zwischen den wirklich wichtigen Schaltzentren in der Regierung, also dem Finanzministerium und dem Kanzleramt, sowie den Sozialpartnern.
Für diese beschränkte Rolle des Arbeitsministeriums gibt es mehrere Gründe: Die Sozialagenden sind unter Türkis-Grün ins abgetrennte Gesundheitsministerium gewandert. Das Budget des Ministers ist nach wie vor groß. Zu einem großen Teil besteht es aber aus fixen Posten, die nicht gestaltbar sind. Allen voran gilt das für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe.
Ein anderer zentraler Eckpfeiler ist die aktive Arbeitsmarktpolitik, die vor allem aus der Schwerpunktsetzung beim AMS besteht. Auch hier geht es um viel Geld, heuer 1,55 Milliarden Euro, und hier gibt es tatsächlich Gestaltungsmöglichkeiten. Aber im Vorstand werden die wichtigen Fragen beim AMS von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vertretern der Regierung gemeinsam entschieden. Diese Struktur zieht sich bis auf die Länderebene des AMS herunter. Auch hier ist also das Ministerium nur ein Akteur unter vielen.
Das heißeste politische Eisen im Ressort ist die Kurzarbeit: 5,5 Milliarden Euro hat das AMS als Kurzarbeitsgeld seit März ausbezahlt, und eine diesbezügliche Reform wird auch die erste große Aufgabe für Martin Kocher sein.
Bis Ende März läuft das derzeitige Modell des Kurzarbeitsgeldes. Da sich aktuell rund 470.000 Menschen in Kurzarbeit befinden, gilt es als ausgeschlossen, dass das System mit Ende März ausläuft. Erwartet wird eine Verlängerung bis September. Aber spannend wird die Ausgestaltung sein, etwa die Frage, wie viel Mitarbeiter mindestens arbeiten müssen, damit Kurzarbeitsgeld ausbezahlt wird, und wie strikt die Beantragung gehandhabt wird. Zuletzt hatten sich die Sozialpartner auf ein strengeres Modell geeinigt – aber wegen des aktuellen Lockdowns gelten diese Regeln zurzeit nicht. Wobei auch hier die Sozialpartner zentral sind: Sie haben die Kurzarbeitsregelung ausverhandelt, mitreden konnte vor allem noch das Finanzministerium.
Als Ökonom könnte Martin Kocher freilich neuen Input in diese Debatten einbringen. Und als Finanzexperte könnte er über sein Ressort hinaus der Regierung einen Stempel in diesen Problemstellungen aufdrücken: Das mag vielleicht der interessanteste Aspekt dieser Bestellung sein.