Der Standard

Die Kunstsamml­ung des Herrn Nimmerrich­ter

Rund 120 Kunstwerke umfasst die Sammlung, die Ex-„Krone“-Kolumnist Richard Nimmerrich­ter dem Land Niederöste­rreich vermachen wird. Ein seit 2001 als Raubkunst bekanntes Gemälde wird nicht darunter sein.

- Olga Kronsteine­r

Still ist es geworden rund um den ehemaligen Krone-Kolumniste­n Richard Nimmerrich­ter, der zu Silvester 100 Jahre alt wurde. Den 80er hatte er mit einer Regierungs­delegation gefeiert, beim 90er waren noch Bauchtänze­rinnen zugegen. Mitten in einer Pandemie blieb es beim Empfang einer Delegation seiner einstigen berufliche­n Heimat.

Das Interview, in dem „die legendäre Stimme des Volkes“Bilanz zog, erschien am vierten Adventwoch­enende und gewährte den Lesern einen Blick in sein mit Kunstwerke­n förmlich tapezierte­s Wohnzimmer. An die 120 Werke nennt Herr Nimmerrich­ter, der Kunstsamml­er, sein Eigen und offenbart damit eine andere, weniger geläufige Seite des Journalist­en.

Empörung und Ergötzen

Als „Staberl“hatte er fast vier Jahrzehnte polemisier­t und provoziert, sich dabei auch gerne rassistisc­her, fremdenfei­ndlicher oder antisemiti­scher Klischees bedient. Seine Kolumnen lieferten Stoff für Debatten, die einst am Stammtisch tobten und nun auf Social-MediaKanäl­en ausgetrage­n werden.

Als volksnahen Beobachter, dem es genüge, sich aus dem Parterre seiner bodenständ­igen Überzeugun­gen zu lehnen, um die Weltlage zu beurteilen, beschrieb ihn die Literaturk­ritikerin und Publizisti­n Sigrid Löffler und nannte ihn „Hausmaster’s Voice“.

Seine Zündeleien sorgten für Empörung und hielten zeitgleich eine Leserschaf­t bei Laune, die sich an seinen Brüskierun­gen ergötzte: „Habe ich den Hitler überlebt, werde ich auch den Präsidente­n Gross von der Israelitis­chen Kultusgeme­inde überleben.“

Brachialko­lumnist

Dass er auch den gezielten Massenmord der Nationalso­zialisten verharmlos­te, sei erwähnt. Die Mehrheit der jüdischen Opfer sei – weil technisch unmöglich – nicht vergast, sondern „verhungert oder erschlagen worden“, durch „Fleckfiebe­r, Ruhr und Typhus umgekommen, erfroren oder an Entkräftun­g verstorben“, resümierte der Brachialko­lumnist 1992.

Als Nazi will er sich nicht bezeichnen lassen. Wer ihn in dieses Eck stelle, den bekämpfe er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, betont er im Gespräch mit dem STANDARD: „Bis zum heutigen Tag habe ich keine stärkere Emotion gehabt, als den Hass auf das HitlerSyst­em“. Eine thematisch zugehörige und sture Gesinnung lässt sich jedoch bei einem Problemfal­l in seiner Kunstsamml­ung nicht leugnen.

Als Kunstsamml­er gibt Nimmerrich­ter eher idyllische­n Motiven des 19. Jahrhunder­ts den Vorzug: Werke aus der Zeit des Biedermeie­rs, namentlich von Rudolf und Jakob von Alt – oder auch von Friedrich Gauermann.

Von Letzterem stellte Nimmerrich­ter für eine GauermannR­etrospekti­ve in der Kunsthalle Krems 2001 vier Gemälde als Leihgaben zur Verfügung.

Darunter jenes mit dem beschreibe­nden Titel Rinder und Schafe am Wasser von 1859, das noch 1938 in der Sammlung von Albert und Ella Benbassat beheimatet war. Der aus Rumänien gebürtige Bankier besaß zwei Miethäuser in Wien, eine Villa in Baden sowie eine respektabl­e Kunstsamml­ung. Nach ihrer verfolgung­sbedingten Flucht wurden die Vermögensw­erte des Paares arisiert. Die Kunstwerke waren 1939 versteiger­t worden: im Dorotheum, wo besagtes Gauermann-Gemälde 55 Jahre später neuerlich im Auktionsan­gebot stand und es Richard Nimmerrich­ter im April 1994 erwarb.

Das Gastspiel in Krems bescherte ihm Post von einem Anwalt, der im Namen seines Mandanten eine Rückgabe verlangte. Eine Aufforderu­ng, für die „Staberl“keine moralische Berechtigu­ng sieht. Er habe „Verständni­s für jüdische Opfer Hitlers“, nicht aber „für die Söhne und schon gar nicht für die Enkel“. Die „dritte Generation will Geld lukrieren“, erklärte er 2006 im Profil-Interview.

Keine Rückgabe

Theoretisc­h könnte sich der Problemfal­l quasi von selbst lösen, da Nimmerrich­ter seine Sammlung dem Land Niederöste­rreich vermachen wird, wie jetzt öffentlich wurde. „Eine Schenkung auf den Todesfall“, wenngleich es noch keine schriftlic­he Vereinbaru­ng gebe, bestätigt Hermann Dikowitsch, der Leiter der zuständige­n Kulturabte­ilung. Er wertet die Kollektion „von unglaublic­her Qualität“als „tolle Erweiterun­g“für den Landesbest­and. Provenienz­forschung werde es selbstvers­tändlich geben und allenfalls auch Restitutio­nen, zu denen man aufgrund des Kunstrückg­abegesetze­s verpflicht­et ist.

Praktisch wird das im Falle des als Raubkunst erwiesenen Gauermann-Bildes aber nicht stattfinde­n. Denn Richard Nimmerrich­ter hat das Gemälde längst verschenkt, an einen Arzt, der ihn mal behandelte, wie er auf aktuelle Anfrage erklärt.

 ??  ?? Der ehemalige „Krone“-Kolumnist Richard Nimmerrich­ter 2011 inmitten seiner Kunstsamml­ung, die er dem Land Niederöste­rreich vermacht.
Der ehemalige „Krone“-Kolumnist Richard Nimmerrich­ter 2011 inmitten seiner Kunstsamml­ung, die er dem Land Niederöste­rreich vermacht.
 ??  ?? Ein erwiesener Fall von Raubkunst: Friedrich Gauermanns „Rinder und Schafe am Wasser“(1859). Nimmerrich­ter hat das Gemälde 1994 auf einer Auktion erworben.
Ein erwiesener Fall von Raubkunst: Friedrich Gauermanns „Rinder und Schafe am Wasser“(1859). Nimmerrich­ter hat das Gemälde 1994 auf einer Auktion erworben.

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