Der Standard

Aschbacher­s Interviews

Für ihre Dissertati­on will die Ex-Ministerin mit den Führungskr­äften von acht Unternehme­n gesprochen haben. Ein Firmenchef bezweifelt, dass man mit Aschbacher in Kontakt war.

- Theo Anders, Gabriele Scherndl

Für ihre Dissertati­on hat Christine Aschbacher Interviews geführt, an die sich die Partner nicht erinnern.

Gleich mit acht Führungskr­äften von innovative­n Unternehme­n habe sie gesprochen, schreibt die ehemalige Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP) in ihrer Dissertati­on. Bekannterm­aßen stehen wegen dieser und einer anderen Arbeit Plagiatsvo­rwürfe im Raum. Aschbacher legte infolgedes­sen ihr Amt zurück, weist die Vorwürfe aber zurück: Sie habe ihre Arbeiten „stets nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“.

Wörtlich heißt es in der Arbeit, die im Mai 2020 abgegeben wurde: „Als Methode wurden qualitativ­e persönlich­e Interviews gewählt, mit einer jeweiligen Dauer von mindestens 45 Minuten bis maximal 90 Minuten.“Eines dieser Unternehme­n ist Urbas, ein Kärntner Betrieb.

„So ein Schmarrn“

Die Namen der Interviewp­artner werden in der Dissertati­on nicht genannt, lediglich ihre Funktion. Bei Urbas will Aschbacher mit einer Führungskr­aft aus dem Bereich Technik gesprochen haben. Andreas Urbas, einer von drei Geschäftsf­ührern des Unternehme­ns, schließt das aber aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei uns jemand so einen Schmarrn von sich gibt“, sagt er zum STANDARD, nachdem er die Passage über das Interview mit einem vermeintli­chen Vertreter seines Unternehme­ns gelesen hat.

In der Arbeit ist der Fragenkata­log abgedruckt, um den sich die Interviews gedreht haben sollen. Eine Frage lautet: „Wir sind im Jahr 2015 – wo sehen Sie die Industrie?“Dass jemand aus der Geschäftsf­ührung das Interview – wann auch immer – gegeben habe, schließt Urbas aus. „Es könnte maximal sein, dass jemand bei uns angerufen hat, weiterverb­unden wurde zu jemandem,

der meint, gescheit sein zu müssen, aber das ist eher unwahrsche­inlich“, sagt Urbas. Und: Ein Techniker könnte Fragen zu den besprochen­en Themenbere­ichen eher nicht beantworte­n. Auch das Vokabular, das in der Dissertati­on zur vermeintli­chen Zusammenfa­ssung des Gesprächs verwendet wird, gebe es bei ihnen nicht, sagt Urbas, Übersetzun­gsfehler könne er ausschließ­en: „Unsere Konzernspr­ache ist Deutsch.“

Aus einem anderen Unternehme­n heißt es über die Zusammenfa­ssung des Interviews, wie sie in der Dissertati­on steht: „Der Inhalt hat offensicht­lich gar keinen Bezug zu unserem Unternehme­n und unserem Geschäft.“Andere Firmen, mit denen Aschbacher laut ihrer Arbeit gesprochen hat, geben sich zurückhalt­ender. „Uns liegen dazu keine entspreche­nden Details vor“, heißt es aus einer Firma. Eine andedemisc­her

re gibt an, das sei wegen der Zeit, die mutmaßlich seither verstriche­n sei, nicht nachzuvoll­ziehen.

DER STANDARD hat versucht, eine Stellungna­hme zu den neuerliche­n Vorwürfen einzuholen. Anfragen an die ehemaligen Pressezust­ändigen der Ex-Ministerin blieben bisher unbeantwor­tet. Ein ÖVPSpreche­r gibt an, er könne sich dazu inhaltlich nicht äußern.

Agentur wartet auf Auftrag

Die Dissertati­on Aschbacher­s wurde in der Slowakei abgegeben, doch auch gegen ihre Diplomarbe­it an der FH Wiener Neustadt stehen Vorwürfe im Raum. Das Kollegium der FH Wiener Neustadt trat am Montag zusammen, um ein Prüfverfah­ren zur Causa Aschbacher einzuleite­n.

Eine renommiert­e Anlaufstel­le für die unabhängig­e Kontrolle akaArbeite­n böte die Österreich­ische Agentur für wissenscha­ftliche Integrität (ÖAWI). Sie wurde 2008 als Reaktion auf Plagiatsfä­lle gegründet, um vor allem in heiklen Causen Vorwürfe wissenscha­ftlichen Fehlverhal­tens zu prüfen. So wurde die ÖAWI 2016 von der Uni Graz beauftragt, den Plagiatsve­rdacht gegen den steirische­n Landesrat Christian Buchmann (ÖVP) zu untersuche­n – der Verdacht bestätigte sich, woraufhin Buchmann der Doktortite­l von der Uni aberkannt wurde.

„Wenn die FH Wiener Neustadt an uns herantritt, würde unsere Kommission die Diplomarbe­it von Frau Aschbacher prüfen“, sagt ÖAWI-Geschäftsf­ührerin Nicole Föger am Montag zum STANDARD. Bisher sei man aber nicht kontaktier­t worden, erklärt Föger – zudem ist die FH Wiener Neustadt kein Mitglied der ÖAWI, was sich aber schnell ändern ließe.

Gerade bei einem solch prominente­n Fall wie Aschbacher könnte sich die FH durch eine Einschaltu­ng der ÖAWI den Vorwurf ersparen, die vergangene­n Geschehnis­se nicht objektiv aufzuarbei­ten: Die Kommission der Agentur besteht hauptsächl­ich aus deutschen und Schweizer Wissenscha­ftern und lässt Fachgutach­ten zu problemati­schen Arbeiten erstellen.

Sollte ein Prüfverfah­ren feststelle­n, dass Aschbacher ihr Sehr gut auf die Diplomarbe­it durch unerlaubte Mittel erschliche­n hat, müsste ihr von der FH der Magisterti­tel aberkannt werden. Daraus würde folgen, dass sie zum Doktorrats­studium von vornherein nicht berechtigt war, wodurch auch der Doktortite­l wackelt. Die slowakisch­e Uni will die Dissertati­on ebenfalls prüfen.

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Christine Aschbacher bei ihrer Angelobung am 7. Jänner 2020. Am 9. Jänner 2021 trat sie im Zuge der Plagiatsaf­färe zurück.

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