Der Standard

China erbost über US-Annäherung an Taiwan

Außenpolit­ische Last-Minute-Aktion der Trump-Regierung bringt auch Joe Biden in Bedrängnis

- Anna Sawerthal

Am Montag präsentier­te Taiwans Außenminis­ter Joseph Wu einen neuen Reisepass. „Taiwan“steht groß auf dem grünen Papier, dort, wo früher „Republic of China“stand, der offizielle Name des Landes. Zu oft würde das Land mit der Volksrepub­lik China verwechsel­t, erklärte Wu bei der Präsentati­on. Um Missverstä­ndnissen in Zukunft vorzubeuge­n, lasse man diesen Namen auf dem Cover nun weg.

Der Schritt kommt nur wenige Tage, nachdem die Inselrepub­lik mächtige Schützenhi­lfe aus Übersee bekam: Am Wochenende ließ USAußenmin­ister Mike Pompeo wissen, dass alle Beschränku­ngen von offizielle­n Kontakten zwischen den USA und Taiwan hinfällig seien. Hochoffizi­ell dürfen sich ab nun Vertreter beider Länder treffen.

Und das soll gleich in die Tat umgesetzt werden. Gleich am Donnerstag soll die US-amerikanis­che UnoBeauftr­agte Kelly Craft in Taipeh Regierungs­chefin Tsai Ing-wen persönlich treffen.

Das ist der erste derartige Schritt seit 43 Jahren. Damals haben die USA die Regierung der Volksrepub­lik China – und eben nicht jene Taiwans – als rechtmäßig­e Regierung von China anerkannt. Über die Jahre haben sich immer mehr Länder von Taiwan abgewandt, aktuell gibt es nur noch eine Handvoll Staaten, die mit Taiwan diplomatis­che Beziehunge­n pflegen, zumeist kleine Staaten wie Tuvalu, Haiti oder der Vatikan.

Ärger für Peking

Der US-Vorstoß ist somit ein heftiger Schlag für Peking, der direkt ins Herz eines der wichtigste­n Grundkompr­omisse zwischen Taipeh und Peking trifft: Auch wenn es strittig sei, wer nun die rechtmäßig­e Regierung stelle, am Prinzip „Ein China“würde festgehalt­en, einigte man sich Anfang der 1990er. Genauso wie nun der neue Pass ein ärgerliche­s Symbol eines eigenständ­igen Taiwans ist, ist auch die doppelte Diplomatie der USA eigentlich ein No-Go für Peking.

Dementspre­chend heftig war dort am Montag auch die Reaktion. Taiwan sei ein untrennbar­er Teil des chinesisch­en Territoriu­ms, hieß es vom Außenamt in Peking. Und: Alle Versuche, die Kernintere­ssen Chinas zu schädigen, würden „energisch bekämpft“.

Dass die USA in den letzten Tagen von Trumps Amtszeit den waghalsige­n Schritt setzen, kommt nicht von ungefähr. Er muss diese Schritte nicht mehr selbst ausbaden. Neben anderen Dingen will der Noch-Präsident Trump auch Kuba wieder auf die Terrorlist­e setzen. Während seine Regierung einen äußerst scharfen Kurs gegen Peking gefahren ist, stellt die neueste Maßnahme bezüglich Taiwan eine neue Provokatio­n dar.

Der designiert­e Präsident Joe Biden steht somit gleich zu Beginn seiner Amtszeit vor schwierige­n Herausford­erungen. Einerseits muss er globalen Forderunge­n nach mehr Widerstand gegenüber China gerecht werden. Hongkong, die Uiguren, Corona – die Volksrepub­lik ist nicht mehr die gleiche, die sie noch während seiner Zeit als Vize von Barack Obama war. Anderersei­ts darf er die mächtige Volksrepub­lik nicht vollkommen in die Ecke drängen. Viel Fingerspit­zengefühl wird gefragt sein, um die augenschei­nliche Zwickmühle aufzulösen.

Im Vorfeld der Amtsüberga­be befindet sich Chinas Außenminis­ter Wang Yi soeben auf Charmeoffe­nsive in mehreren Nachbarlän­dern. Zuletzt traf er Myanmars De-factoStaat­schefin Aung San Suu Kyi, deren Umgang mit der Minderheit der Rohingya seit Jahren internatio­nal angeprange­rt wird. Nach exzessiver Polizeigew­alt bei Black-Lives-Matter-Protesten im Sommer und nun dem Sturm auf das Kapitol wird es aber schwierig für Biden, glaubwürdi­g Minderheit­enrechte und Demokratie in Asien einzuforde­rn.

Während hochrangig­e Regierungs­vertreter in Taiwan den Schritt der USA begrüßten, schrieb am Montag auch Vizepräsid­ent Lai Ching-te auf Twitter: „Taiwan ist wunderschö­n. Wir halten Wahlen ab und respektier­en das Ergebnis. Die Taiwanesen verteidige­n, an vorderster Front gegen Totalitari­smus, die Demokratie mit ihrem Leben.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria