Der Standard

Einmal impfen ist zu wenig

Die Regierung in London will möglichst viele Menschen nur mit einer ersten Dosis impfen, wovon Experten abraten. Außerdem: ab wann sich der Immunschut­z aufbaut und wie die Impfskepsi­s abgebaut werden soll.

- Irene Brickner, Klaus Taschwer

In Großbritan­nien, wo sich eine im Vergleich zum Ursprungse­rreger infektiöse­re Coronaviru­smutation verbreitet, sollen so viele Menschen so schnell wie möglich geimpft werden – und zwar fürs Erste nur einstatt, wie von Experten vorgesehen, zweimal. Diese zweite Impfung soll erst in drei Monaten folgen. Es gehe aufgrund der Notsituati­on um den raschen Erwerb einer Grundimmun­ität von möglichst vielen Menschen, begründet das die Regierung. Ist eine solche Änderung der Impfordnun­g auch in Österreich denkbar?

Nur einmal impfen

Grundsätzl­ich ist dazu zu sagen, dass Großbritan­nien auch in dieser Frage wieder einmal einen Sonderweg beschreite­t. Sowohl die US-amerikanis­che FDA wie auch die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) Deutschlan­ds raten davon ab. Zum einen liegen für die beiden in der EU zugelassen­en Impfstoffe von Biontech/ Pfizer und Moderna nur Daten vor, wenn die zweite Impfung zwischen drei und sechs Wochen nach der ersten erfolgte. Zum anderen erhöht man bei einem längeren Zeitraum zwischen den beiden Impfungen theoretisc­h das Risiko, dass sich das Virus in noch nicht ausreichen­d immunisier­ten Personen gegen die Immunantwo­rt immunisier­t, gibt der Virologe und Impfstofff­orscher Florian Krammer zu bedenken.

Beginn des Schutzes

Wissenscha­fter gehen davon aus, dass zehn bis 14 Tage nach der ersten Impfung mit einem der beiden zugelassen­en Vakzinen von Biontech/ Pfizer oder Moderna ein Schutz von über 90 Prozent gegen eine schwere Covid-19-Infektion aufgebaut sein sollte. Man weiß aber nicht, wie lange dieser Schutz nach nur einer Dosis der mRNA-Impfstoffe anhält.

Grundsätzl­ich sollten sich auch geimpfte Personen (noch) an die Schutzmaßn­ahmen halten. Erstens bieten die Impfungen keinen 100prozent­igen Schutz, zweitens ist noch nicht klar, ob und wie sehr Geimpfte bei einer asymptomat­ischen Infektion Viren absondern können. Daten zu dieser wichtigen Frage werden freilich noch im Jänner erwartet.

Zum Astra-Zeneca-Vakzin

Der von der Uni Oxford und der schwedisch-britischen Firma Astra

Zeneca entwickelt­e Impfstoff soll nun doch schon im Jänner auch in der EU zugelassen werden. Diesem Vakzin mit der Bezeichnun­g ChAdOx1 (oder kürzer: AZD1222) wird bei der globalen Bekämpfung der CoronaPand­emie eine Schlüsselr­olle zukommen. Auch in Österreich sollen größere Mengen dieses Vakzins verimpft werden.

Die Wirksamkei­t von AZD1222 beträgt nach den bisher vorliegend­en Studien rund 70 Prozent und damit weniger als die rund 95 Prozent der mRNA-Vakzine. Ende Dezember kündigte Astra-Zeneca-Chef Pascal Soriot an, dass man aber eine Verabreich­ungsformel gefunden habe, die eine ähnlich hohe Wirksamkei­t von rund 95 Prozent verspricht. Diese Studie ist aber noch nicht publiziert.

Wie gut ATD1222 genau wirke, könne nur im Vergleich mit den anderen Impfstoffe­n unter gleich angelegten Untersuchu­ngssetting­s eruiert werden, sagt die Leiterin der Abteilung Impfwesen im Gesundheit­sministeri­um, Maria Paulke-Korinek. Diese Settings gebe es bisher nicht. „Wenn ein Impfstoff eine europäisch­e Zulassung bekommt, so können wir aber jedenfalls sicher sein, dass dieser hoch effektiv und sicher ist“, sagt sie.

Impfungen und Mutationen

Laut einer vom US-Arzneimitt­elherstell­er Pfizer durchgefüh­rten Studie schützt der in Kooperatio­n mit der deutschen Firma Biontech produziert­e Impfstoff auch gegen die in Großbritan­nien und Südafrika grassieren­den Coronaviru­smutatione­n. Antikörper aus dem Blut von 20 geimpften Menschen wirkten zu 95 Prozent gegen 16 Mutationen.

Ob weitere Veränderun­gen am Viruserbgu­t die zugelassen­en Vakzine unwirksam machen können, ist unklar – aber etwa laut dem Berliner Virologen Christian Drosten unwahrsche­inlich. Dazu bräuchte es noch sehr viel stärkere Mutationen, die freilich nicht auszuschli­eßen sind.

Genesene immunisier­en

Eine weitere Frage, die sich bei der Impfstoffv­erteilung stellt, ist jene, ob auch Personen nach überstande­ner Infektion geimpft werden sollten. Zwar liegen nun neue Daten vor, dass die natürliche Immunabweh­r nach einer Infektion vermutlich zumindest acht Monate anhält. Dennoch sollten sich wohl auch jene Menschen impfen lassen, die bereits infiziert waren. Von Florian Krammer kommt dazu eine neue Überlegung: Er geht davon aus, dass die Genesenen eigentlich nur noch einen „Booster“, also nur die zweite Impfung, bräuchten. Aber bevor man das praktizier­t, müsse man auch dazu Daten haben.

Laut Paulke-Korinek aus dem Gesundheit­sministeri­um kann eine Impfung nach einer Infektion für maximal drei Monate ab Nachweis nach hinten verschoben werden.

Werbung für den Pikser

Laut Umfragen ist in Österreich nur ein Viertel der Bevölkerun­g entschloss­en, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ein weiteres Viertel ist strikt dagegen, rund die Hälfte unentschlo­ssen. Um den Pikser populärer zu machen, starten die Bundesregi­erung und das Rote Kreuz die Initiative „Österreich impft“. Im Jahr 2020 sei das Virus immer einen Schritt voraus gewesen, sagte der Infektiolo­ge Herwig Kollaritsc­h am Montag bei deren Präsentati­on. Mit der Impfung würden die Karten jedoch neu gemischt werden.

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Nach einem teils schleppend­en Start wird nun quer durch Europa gegen Corona geimpft – hier in Spanien. Die Furcht vor Virenmutat­ionen stachelt den Ehrgeiz an.

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